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Gemeindebrief zum 11.09.2022 - 24. Sonntag im Jahreskreis

Heute vor einundzwanzig Jahren wurden die Welt und wir durch die
Anschläge auf das World Trade Center in New York erschüttert.
Und wer hätte gedacht, dass wir im Jahr 2022 erleben müssen,
dass es in Europa einen Angriffskrieg gibt.

In welch einer Verlorenheit müssen Menschen sein, die anderen Menschen so etwas antun oder dazu aufrufen?

Noch viele andere Formen von Verlorenheit gibt es bei uns Menschen.
Es kann sie auch in unserem ganz persönlichen Leben geben.
Aber es gibt auch die Zusage:
Du, Mensch, bist nicht verloren.
Lass dich finden.
Mache dich auf den Weg der Umkehr, Gott kommt dir entgegen.

Klaus Koltermann, Pfarrer

Lesung aus dem Buch Éxodus

In jenen Tagen sprach der Herr zu Mose:
Geh, steig hinunter, denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, läuft ins Verderben. Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen vorgeschrieben habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht, sich vor ihm niedergeworfen und ihm Opfer geschlachtet, wobei sie sagten:
Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.
Weiter sprach der Herr zu Mose:
Ich habe dieses Volk gesehen und siehe, es ist ein hartnäckiges Volk.
Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt!
Dich aber will ich zu einem großen Volk machen.
Mose aber besänftigte den Herrn, seinen Gott, indem er sagte:
Wozu, Herr, soll dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit großer Macht und starker Hand aus dem Land Ägypten herausgeführt hast. Denk an deine Knechte, an Abraham, Ísaak und Israel, denen du selbst geschworen und gesagt hast:
Ich will eure Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel, und: Dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, will ich euren Nachkommen geben und sie sollen es für immer besitzen.
Da ließ sich der Herr das Unheil reuen, das er seinem Volk angedroht hatte.

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timótheus

Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat:
Christus Jesus, unserem Herrn.

Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen, obwohl ich früher ein Lästerer, Verfolger und Frevler war. Aber ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wusste in meinem Unglauben nicht, was ich tat.
Doch über alle Maßen groß war die Gnade unseres Herrn, die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte. Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten.
Von ihnen bin ich der Erste. Aber ich habe gerade darum Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als Erstem seine ganze Langmut erweisen konnte, zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.
Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott,
sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten:
Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte:
Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen:
Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war!
Ich sage euch:
Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet? Und wenn sie diese gefunden hat, ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt:
Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte!
Ebenso, sage ich euch, herrscht bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.
Weiter sagte Jesus:
Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater:
Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht!
Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf.
Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
Da ging er in sich und sagte:
Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
Dann brach er auf und ging zu seinem Vater.
Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm.
Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
Der Vater aber sagte zu seinen Knechten:
Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es;
wir wollen essen und fröhlich sein. Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Und sie begannen, ein Fest zu feiern. Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld.
Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
Der Knecht antwortete ihm:
Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen.
Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
Doch er erwiderte seinem Vater:
Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
Der Vater antwortete ihm:
Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Gedanken zum Evangelium

Es stimmt gar nicht - Schafe lassen sich nicht so einfach mitnehmen, schon gar nicht auf der Schulter tragen, so die Aussage eines, der mit diesen Tieren viel zu tun hat. Was da im Evangelium so einfach fast rührend, manchmal sogar rührselig dargestellt erscheint, das ist offensichtlich nicht die Regel.
Und doch erzählt es das Evangelium so.

Es ist mit dem Verlorenen nicht immer ganz einfach. Auch nicht bei uns Menschen - das Schaf und die Drachme nimmt Jesus ja als Bild für uns. Dass ein Mensch merkt und sich bewusst ist, dass er in die Verlorenheit gerät oder schon geraten ist, dass er sich vielleicht sogar selbst verliert, das ist oft nicht der Fall, obwohl er in diese Situation geraten ist. Manchmal sehen und merken es die Menschen drum herum schon lange, bis man selbst das erkennt. Vielleicht hat es der Vater bereits gemerkt, als der jüngere Sohn sein Erbteil wollte. Ab diesem Augenblick scheint der Vater ihn besonders in seinem Herzen zu haben. Er lässt ihn gehen, obwohl er schon in diesem Augenblick in Liebe und voller Sorge um ihn war.

Vom Nachgehenden, vom Suchenden, vom Mitfühlenden ist manchmal viel Geduld verlangt. Ablehnung für den, der hilft oder helfen will, ist nicht ausgeschlossen. Gehört es nicht zu unserem Auftrag nachzugehen, zu schauen und sich nicht einfach damit zufrieden zu geben, dass es so ist? Lässt in unseren Gleichnissen der Hirte nicht 99 Schafe zurück und geht dem Verlorenen nach. Sucht die Frau, die eine Drachme verloren hat, nicht das ganze Haus nach ihr ab, fegt sogar. Hat der Vater nicht voller Schmerz in seinem Herzen an den Sohn gedacht, der wegging?

So ist Gott, will Jesus mit solchen Geschichten sagen: Gott verliert niemanden aus den Augen. Er geht nach, er sucht. Wenn man auf die Anfänge der frühen Christen schaut - da ist die junge Gemeinde nachgegangen, hat gesucht und sich den Verlorenen zugewandt – und heute die Kirche...?

Ja, Jesus schickt die Jünger zu den Menschen. Er nimmt dabei auch in Kauf, dass sie abgewiesen werden. Vielleicht tun wir uns aber auch nicht leicht mit dem Nachgehen und dem Suchen, weil es uns gar nicht so leicht fällt, einfach von Verlorenen auszugehen. Können wir das einfach sagen? Manchmal denke ich, dass auch ich zuerst bei mir schauen muss.

Ich meine, erst wenn mir klar ist, dass auch ich immer einer bin, nach dem Gott schon schauen musste, erst dann werde ich auch nach anderen schauen können und kann es dann auch. Ich weiß, dass ich nicht der erste bin, der nach jemandem Ausschau hält. Bevor ich es tue, ist Gott schon längst auf der Suche nach diesem Menschen.

Ja, ich meine, es gibt manche Arten von Verlorenheit in unserer Welt. Menschen erleben sich auf der Verlustseite des Lebens (Ich denke insbesondere an den Angriffskrieg in der Ukraine...) - Arbeitsplatz, eine Beziehung, die scheitert, Behinderung; zu erfahren, dass man unheilbar krank ist; ein Mensch, der eine Sucht erlebt, der Würde verliert - in seinen eigenen Augen und in den Augen anderer; man könnte die Reihe fortsetzen - Erfahrung von Verlorenheit ist eine Realität in unserem menschlichen Leben.

Was haben wir anderes zu bringen als die Zusage, dass eben kein Mensch verloren ist. Freilich muss das ein Mensch auch wirklich spüren. Jesus praktiziert Gottes Liebe und Sorge um den Menschen in dessen Verlorenheit. Es heißt da, dass ihm Zöllner und Sünder zuhörten. Die Verlorenen unserer Tage gilt es zu entdecken. Die Freude des Findens, der Wiederentdeckung des Verlorenen überwiegt bei weitem die Last des Nachgehens und Suchens - und auch vielleicht mancher Zurückweisung. Suchen und Nachgehen - das kommt nicht aus einer Überlegenheit heraus; das kann man nicht in dem Gefühl der Selbstgerechtigkeit. Es ist tröstlich und beglückend selbst zu wissen, dass Gott in seinem Erbarmen auch mich sucht und mir nachgeht. Gott tut nichts anderes als uns nachgehen, auf uns warten.

Ich kann mich auch in meiner Verlorenheit finden lassen. Ich kann auch den Weg zurückgehen. Wo ich dann alle Rechtfertigungsversuche und Schutzbehauptungen loslasse und die Sehnsucht nach Erbarmen und Angenommensein zulasse, da begegne ich dann der vergebenden Liebe. Und dann kann ich auch selbst in Achtsamkeit und Geduld die Verlorenheit von anderen Menschen erkennen und ihnen vielleicht etwas erzählen von einem Gott, der uns sucht und der uns nicht verloren geben will, sondern bei sich birgt.

Pastor Klaus Koltermann

Bitten Einleitung

Guter Gott, deine Zuwendung gilt besonders den Menschen am Rande;

deinem Schutz und deiner Liebe empfehlen wir alle, für die wir beten:

Bitten

1. Für alle Verstorbenen, die ihr Leben in den Dienst an der
Gemeinschaft gestellt haben und deren Tod Trauer und Mitgefühl auslöst.
Wir beten besonders für Queen Elizabeth und für Michail Gorbatschow
und ihre Länder und Völker.
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

2. für alle, die noch immer unter ihrem Verlust und den seelischen Folgen
des Terroranschlags in New York am 11. September 2001 leiden;
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

3. für die Menschen in der Ukraine im Krieg oder in Gefangenschaft,
besonders für alle in der Nähe des Atomkraftwerks in Saporischschja,
die um ihre und unsere Sicherheit, Leben und Gesundheit fürchten;
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

4. für alle, die nach neuen Wegen zum Frieden suchen,
ohne Waffengewalt, Leid und Tod –
in unserer Gesellschaft und zwischen den Völkern;
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

5. Wir beten für mehr als 800 Millionen Hungernde,
für mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht - weltweit;
und für die zwei Millionen regelmäßigen Kunden und Kundinnen der Tafeln in Deutschland in Angst vor den steigenden Kosten für den täglichen Bedarf;
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

6. für die Vernachlässigten und Einsamen, nach denen niemand mehr fragt;
und für alle, die das ärgste Leid anderer Menschen zu lindern suchen.
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

7. Wir beten für die Menschen,
die an eine neue Zukunft der Kirche glauben,
die sich von Rückschlägen auf dem Synodalen Weg nicht entmutigen lassen
und in ihren Gemeinden vor Ort Wege aus der Krise finden;
- kurze Stille –
V: Du Gott, der keinen Menschen je aufgibt.
A: Wir bitten dich, erhöre uns.

Abschluss-Gebet

Guter Gott, du hast deinen Sohn
und unseren Bruder Jesus als Licht in die Welt gesandt,
das nicht verlischt;
er macht uns Mut,
dein Wort zu hören und uns an ihm auszurichten –
jetzt und bis in deine Ewigkeit. Amen

Quelle Bistum Trier

09.09.2022

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