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166. Gemeindebrief: Sonntag 24.09.2023

Einführung zum 25. Sonntag im Jahreskreis A

 

„Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben“… Moment mal, da stimmt doch etwas nicht!

Das ist doch der Spruch, den 1989 Michail Gorbatschow sagte, als er kurz vor dem Fall der Mauer die damalige DDR besuchte. Aber ein Wort stimmt hier nicht und das ist sehr entscheidend: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Der Spruch ging damals in die Geschichtsbücher ein, obwohl man heute daran zweifelt, dass Gorbatschow den Satz so gesagt hat. Aber gemeint hat er ihn sicherlich so!

Der Spruch ist in unseren Sprachgebrauch übergegangen. Und so bedienen wir uns seiner ziemlich häufig, wenn wir zu zögerlich sind, zu spät Initiative ergreifen oder eine wichtige Nachricht nicht mitbekommen. Es geht eine leicht negative Wirkung davon aus, weil der Satz voraussetzt, dass alle, die reaktionsschnell handeln, im Vorteil sind und die Langsameren das Nachsehen haben.

Und was ist jetzt mit dem ersten Spruch? Ist es wirklich denkbar, dass wir, obwohl wir zu spät kommen, belohnt werden? Undenkbar!

Nein, nicht undenkbar! Heute hören wir im Evangelium eine Erzählung, in der genau das passiert!

                                                                                                        

Hildegard Ziemons

Mitglied der Pfarrbriefredaktion und bei Maria 2.0

: pgr@dormagennord.de

 

1. Lesung: Jes 55,6-9 Lesung aus dem Buch Jesája

Sucht den HERRN, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah! Der Frevler soll seinen Weg verlassen, der Übeltäter seine Pläne. Er kehre um zum HERRN, damit er Erbarmen hat mit ihm und zu unserem Gott; denn er ist groß im Verzeihen.

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des HERRN. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.

2. Lesung: Phil 1,20ad-24.27a Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philíppi

Schwestern und Brüder!

Ich erwarte und hoffe, dass Christus verherrlicht werden wird in meinem Leibe, ob ich lebe oder sterbe. Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn. Wenn ich aber weiterleben soll, bedeutet das für mich fruchtbares Wirken.

Was soll ich wählen? Ich weiß es nicht. Bedrängt werde ich von beiden Seiten: Ich habe das Verlangen, aufzubrechen und bei Christus zu sein – um wie viel besser wäre das!

Aber euretwegen ist es notwendiger, dass ich am Leben bleibe. Vor allem: Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht!

Evangelium: Mt 20,1-16 Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus

In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg.

Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah andere auf dem Markt stehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen.

Um die sechste und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder hinaus und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinausging, traf er wieder einige, die dort standen. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig?

Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!

Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen bei den Letzten, bis hin zu den Ersten!

Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die Ersten kamen, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten einen Denar.

Als sie ihn erhielten, murrten sie über den Gutsherrn und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt. Wir aber haben die Last des Tages und die Hitze ertragen.

Da erwiderte er einem von ihnen: Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin?

So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte.

Gedanken zum Evangelium

Jesus erzählt im Evangelium die Geschichte des Gutsbesitzers, der Arbeiter in seinem Weinberg anstellt und sie für einen Denar arbeiten lässt. Ein Denar, das war damals die Summe, die eine Familie brauchte, um einen Tag menschenwürdig leben zu können – ohne Hunger und ohne Sorge ums Überleben. Das ist also ein ordentlicher Lohn, den der Gutsbesitzer mit den Arbeitern aushandelt und diese sind auch damit einverstanden, 12 Stunden für diesen Lohn zu arbeiten.

Das Problem entsteht, als die Arbeiter bemerken, dass ihr Arbeitgeber mehrmals am Tag Arbeiter angeheuert hat und allen am Ende einen Denar zahlt, gleichgültig, ob sie 12, 9, 6, 3 oder nur 1 Stunde gearbeitet haben.

Ist das gerecht? Die, die wenig gearbeitet haben, freuen sich über diesen großzügigen Lohn, aber die, die viel gearbeitet haben, erwarten – mit Recht?? – mehr Lohn.

Der Weinbergbesitzer lässt sie abblitzen, er hat diesen Lohn mit ihnen vereinbart, sie waren einverstanden. Er wirft ihnen sogar Neid und böse Gedanken vor: Ist dein Auge böse, weil ich gut bin?

Eine echte Zwickmühle! Wir fühlen mit den „Frühen“: 12 Stunden lang in großer Hitze arbeiten, müde und ausgelaugt sein - und dann dabei zusehen, wie die „Späten“ den gleichen Lohn erhalten. Das macht sie enttäuscht und wütend.

Warum erzählt Jesus diese seltsame Geschichte?

Werfen wir einen Blick auf den Anfang des Evangeliums: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.“

Es geht gar nicht um die gerechte Bezahlung oder das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Der Gutsbesitzer ist kein Gewerkschafter und er hat auch kein neues Modell für eine Tarifverhandlung im Sinn. Es geht um das Himmelreich, in das alle Menschen eingeladen sind. Ob sie früh oder spät dazukommen, spielt keine Rolle. Niemand muss sich das Himmelreich verdienen, wir haben durch gute Taten keine Vorteile, es gibt keine reservierten Plätze für „Fleißige“.

Jeder Mensch, der sich von Gott ansprechen lässt, ist dem Himmelreich nahe. Gott kommt uns entgegen, der einladende Ruf Gottes gilt jedem gleich. In seinem liebenden Blick fallen Gerechtigkeit und Güte zusammen. Mit diesem Blick geht er auf alle Menschen zu, stellt sie auf eine Stufe, die Großen wie die Kleinen, die Mächtigen wie die Ohnmächtigen, Frauen und Männer, Junge und Alte, Arme und Reiche und sagt: „So werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein.“

Verdienen lässt sich diese Güte Gottes nicht, weder durch einen zwölfstündigen noch durch einen einstündigen Arbeitstag. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – das greift hier nicht. Das Reich Gottes kommt auf uns zu. Nicht, weil wir es uns verdient haben, sondern weil es uns geschenkt wird. Darin zeigt sich Gottes Güte.

Aber auch in unserer irdischen Gerechtigkeit sind wir darauf angewiesen, dass nicht allein die Leistung zählt. Wir leben davon, dass die Letzten so viel zählen wie die Ersten. Wie stünde es sonst um diejenigen, die nichts leisten können? Wir haben alte oder kranke Menschen vor Augen, aber auch die Kinder, die noch nicht arbeiten, sondern spielen sollen. Wenn es nur um Leistung ginge, wäre für sie kein Platz in unserer Gesellschaft.

Wir leben nicht nur von dem, was wir hervorbringen, sondern von dem, was uns geschenkt wird. Gnade wird uns geschenkt, Verzeihung und vor allem die Liebe. Darin sind wir alle gleich.

Das ist die Würde, die uns allen zuteilwird und die uns niemand nehmen darf.

Fürbitten

Gütiger Gott, wie der Gutsbesitzer im Weinberg, schaust du nicht nur auf die Werke einzelner Menschen.

Du bist für alle Menschen da und du hörst ihre Bitten:

  1. Wir beten für die Menschen, die arm sind und nicht genug zum Leben haben.

Alle:    Guter und gerechter Gott, schenke ihnen deine Güte.

 

  1. Wir beten für die Menschen, die unter Krieg, Naturkatastrophen und dem veränderten Klima leiden.

Alle:    Guter und gerechter Gott, schenke ihnen deine Güte.

 

  1. Wir beten für die Menschen, die krank oder einsam sind und die nicht mehr selbst für sich sorgen können.

Alle:    Guter und gerechter Gott, schenke ihnen deine Güte.

 

  1. Wir beten für die Menschen, die sich durch ihre Arbeit, ihre vielfältigen Aufgaben und ihre große Verantwortung überlastet fühlen.

Alle:    Guter und gerechter Gott, schenke ihnen deine Güte.

 

  1. Wir beten für die Arbeiter in deinem Weinberg und alle, die sich große Hoffnung machen im Hinblick auf den synodalen Weg in Deutschland und die Weltsynode.

Alle:    Guter und gerechter Gott, schenke ihnen deine Güte.

Guter Gott, deine Güte und Liebe ist unsere Hoffnung. Wir danken dir für deine Gnade, die uns befreit und mutig macht, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

22.09.2023

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