zurück

Gemeindebrief zum Sonntag, 19.07.2020

Einführung zum 16. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Gemeindemitglieder,

In die Geschichtsbücher haben sie längst Eingang gefunden, die großen Gesten der bedeutenden Staatsmänner. So erinnere ich mich an den Kniefall von Willy Brandt, der bei seinem Besuch in Warschau dadurch seine Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zum Ausdruck gebracht hat. Oder die Vereidigung des damaligen hessischen Umweltministers Joschka Fischer, der in Turnschuhen ins Parlament gekommen ist. Oder ein sehr junges Beispiel: Papst Franziskus, der im März auf dem menschenleeren Petersplatz mitten in der Corona-Pandemie den Segen „Urbi et orbi" gespendet hat.

Es sind die großen Gesten, die in Erinnerung bleiben. Bilder an manches außergewöhnliche Handeln prägen sich so leicht ins Gedächtnis ein. Auch wenn wir die Worte längst vergessen haben, die Bilder sind viel anschaulicher und eindrucksvoller. Sie bleiben, auch wenn so manches gesprochene Wort schon längst vergessen ist. Und manchmal, da sagen Bilder und Gesten auch mehr, als es selbst die geschliffensten Worte je könnten: ein Kuss, eine Umarmung, ein Blumenstrauß oder ein Ring. Wer seiner Angebeteten, die berühmte rote Rose überreicht, der muss gar nichts mehr dazu sagen. Die Botschaft, die dieses Zeichen vermitteln soll, ist ohne große Erklärungen verständlich. Große und kleine Gesten, die zwar nicht immer in die Geschichtsbücher aufgenommen wurden, aber doch den Lauf der Geschichte erheblich beeinflusst haben.

In Jesus erkenne ich einen Meister seines Faches, wenn es um die großen Gesten und die eindrücklichen Bilder geht. Das heutige Evangelium führt uns mitten hinein in diese jesuanische Bilderwelt: „Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge in Gleichnissen und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen". 

Pfarrer Klaus Koltermann

Mail: pastor.koltermann@dormagen-nord.de
Telefon: 02133-91591

1. LESUNG - WEISH 12,13. 16-19

Lesung aus dem Buch der Weisheit.

Es gibt keinen Gott, Herr, außer dir, der für alles Sorge trägt;

daher brauchst du nicht zu beweisen, dass du gerecht geurteilt hast.
Deine Stärke ist die Grundlage deiner Gerechtigkeit und deine Herrschaft über alles lässt dich alles schonen.
Stärke beweist du, wenn man an deine unbeschränkte Macht nicht glaubt, und bei denen, die sie kennen, strafst du die anmaßende Auflehnung.
Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Schonung; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst.

Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Söhnen und Töchtern die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst.

2. LESUNG - RÖM 8,26-27

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.

Schwestern und Brüder!
Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an.
Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen;
der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.
Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist.
Denn er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.

EVANGELIUM - MT 13,24-43

Aus dem hl. Evangelium nach Matthäus.

In jener Zeit erzählte Jesus der Menge folgendes Gleichnis:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg.
Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.
Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten:
Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?
Er antwortete: Das hat ein Feind getan.
Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?
Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!

Er legte ihnen ein weiteres Gleichnis vor und sagte:
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.

Er sagte ihnen ein weiteres Gleichnis:
Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Sea Mehl verbarg, bis das Ganze durchsäuert war.

Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge in Gleichnissen und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen, damit sich erfülle, was durch den Propheten gesagt worden ist:
Ich öffne meinen Mund in Gleichnissen, ich spreche aus, was seit der Schöpfung der Welt verborgen war.
Dann verließ er die Menge und ging in das Haus. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten:
Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker!
Er antwortete:
Der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Kinder des Reiches; das Unkraut sind die Kinder des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Schnitter sind die Engel.
Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch bei dem Ende der Welt sein:
Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gesetzloses getan haben, und werden sie in den Feuerofen werfen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten.

Wer Ohren hat, der höre!

Gedanken zum Evangelium

„Sollen wir gehen und es ausreißen?" – so fragen die Knechte den Herrn im Gleichnis, als sie das vermeintliche Unkraut zwischen dem Weizen auf dem Acker sehen.

Wer tickt so?

Es sind Knechte, die zunächst meinen, sie tun ihrem Herrn etwas Gutes. Scheinbar handelt es sich um Menschen, die annehmen, auf den ersten Blick zu wissen und zu erkennen, was richtiger und guter Weizen ist. Es sind Menschen, die ihre Ordnung haben und diese verteidigen, weil sie glauben, es ist die Ordnung, die alle übernehmen müssen. Es sind Menschen – und das muss man auch sehen –, die leiden, wenn ihre Ordnung durcheinanderkommt, weil sie verunsichert werden durch Veränderungen, die sie selbst nicht steuern können.
Solche Menschen können die Spannung oft nicht aushalten, ihnen fehlt die Geduld, zuzusehen, wie sich etwas entwickelt. So kommen Aggressionen an die Oberfläche, die unterschwellig in diesen verunsicherten Menschen gären. Sie verleiten sie dazu, lieber radikale Schritte zu gehen, rücksichtslos zu werden und Gewalt anzuwenden. Diese Menschen sind sogar bereit, ihre Grundsätze und ihre eigentlich geliebte Ordnung hintenanzustellen und sich selbst zu verraten.

Noch eine andere Seite dieser Menschen offenbart sich im Gleichnis.
Es sind Menschen, die sofort mit Vorwürfen reagieren und dabei vergessen, wem sie diese machen.
Sie fragen nicht, was passiert da?
Wie kann das sein?
Welche Ursachen kommen in Frage?
Was könnten die Lösungen für diese Herausforderung sein und wie können wir für die Lösung beitragen?

Sofort suchen sie nach einem Schuldigen. Da muss es einen geben, der ihre Ordnung durcheinanderbringt, der ihr Sicherheitsbedürfnis stört und der dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Und der ist im Gleichnis im Gutsherrn schnell gefunden.

„Hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät?", so lautet ihre vorwurfsvolle Frage.

Eine Frage, die das Verhältnis Herr und Knecht völlig auf den Kopf stellt. Für Menschen, die so ticken, war die Reaktion des Gutsherrn wohl schwer zu ertragen: „Nein, damit ihr nicht mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Zeit der Ernte." Denn dann, wenn man wirklich sieht, was zum Unkraut herangewachsen ist, kann man es als unbrauchbar zur Seite tun. Ansonsten richtet man nur einen Schaden am Weizen an, den man nicht mehr gut machen kann.

Jesus erzählt dieses Gleichnis vermutlich seinen Jüngern, weil bei ihnen die Frage auftaucht, warum sich die Herrschaft Gottes, von der er immer spricht, nicht auf direktem Weg in der Welt durchsetzt. Warum da Menschen sind, die sich für die Herrschaft des Himmels einsetzen und es auch Menschen gibt, die anscheinend dagegen arbeiten. Und vielleicht sind bei den Jüngern auch Überlegungen im Raum, ob man nicht diese Gegner mit Nachdruck, ja Gewalt ausschalten sollte.
Mit dem Gleichnis macht Jesus sehr deutlich, wem im Reich Gottes welche Rolle zukommt. Die Knechte haben nicht zu entscheiden und darüber zu richten, was zum Unkraut wird. Erst wenn es wirklich zum Unkraut herangewachsen ist, können sie es mit Auftrag des Herrn vom Weizen trennen. Er verwehrt sich so gegen jede Art von Rigorismus, wenn es um die Herrschaft Gottes geht. Richten wird am Ende der Zeit der Menschensohn selbst!

Auswirkungen auf die christlichen Gemeinden bis heute:
Wenn der Evangelist Matthäus dieses Gleichnis Jesu seiner Gemeinde überliefert, dann trifft er bei einigen den Nerv. Denn auch da ticken Menschen wie die Knechte. Sie meinen zu wissen, was ein Christ zu glauben hat, wie sich ein Christ zu verhalten hat, was er tun darf und was nicht. Sie wissen genau, wo und wie das Reich Gottes wächst und wo nicht. Und schnell stehen sie parat, um zu richten, auszureißen und zu vernichten. Ein Blick in die Geschichte unserer Kirche zeigt, dass solch rigoristische Tendenzen sich durchziehen bis in die heutige Zeit. Ein prominentes Beispiel dafür ist ein Vorfall im Rahmen der Amazonas-Synode im Herbst letzten Jahres in Rom. In einer Kirche wurden drei indigene Figuren aus dem Amazonasgebiet aufgestellt, die vom Glaubensverständnis der indigenen Christen erzählen sollten. Das störte einen jungen Österreicher so sehr in seinem eigenen, als einzig richtig befundenen Glaubensverständnis, dass er die drei Figuren stahl und in den Tiber warf. In einem Video ließ er sich dann als Held des wahren Glaubens feiern.

Lasst beides wachsen bis zur Ernte! – So spricht der Gutsbesitzer, so spricht der Menschensohn, denn mit Geduld und Toleranz kann vielleicht auch das zum Weizen heranwachsen, was Übereifrige als vermutliches Unkraut ausreißen wollen.

Ein kleines Gleichnis Jesu, von dem wir viel für unsere Glaubenspraxis lernen können!

Fürbitten

Einleitung:
Wir wissen nicht, wie wir richtig beten sollen, schreibt der Apostel Paulus - wir dürfen uns aber darauf verlassen, dass der Geist uns hilft und Gott unsere Bitten erhört.
Diesem Gott vertrauen wir die Welt und die Menschen an.

Bitten:

Wir beten für die vielen Menschen, die mit Corona infiziert sind oder waren;
für die schwer oder nur leicht Erkrankten;
für fast zehntausend Verstorbene in unserem Land und ihre Familien.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Für die Menschen überall auf der Welt, wo die Infektionszahlen immer noch oder schon wieder steigen; besonders für die Armen, die der Pandemie schutzlos und ahnungslos ausgeliefert sind.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Wir beten für junge und alte Leute,
die mit neuen Freiheiten umgehen lernen müssen;
und für alle,
die sich und andere zu schützen versuchen und große Ängste ausstehen.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Für Frauen und Männer in Politik und Gesellschaft, die selbst und deren Familien bedroht werden;
und für alle, die online und offline für mehr Sicherheit sorgen oder einfach in ihrer Umgebung gegen den alltäglichen Rassismus eintreten.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Wir beten für die Europäische Gemeinschaft auf dem Weg zu mehr Solidarität in der Krise, zu Klima-Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Für die Menschen in Amazonien und in Sibirien, wo Waldbrände und Hitzewelle bedrohlich sind;
für die Kinder, Frauen und Männer, die in Nordsyrien auf Hilfe zum Überleben angewiesen sind.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Wir beten für alle, die umsichtig auf der Straße unterwegs sind und die Regeln beachten.
Für Familien und alle Menschen, die jetzt unterwegs sind - ob alltäglich zur Arbeit oder in den Urlaub.

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

[Bistum Trier:
Für Bischof Stephan und die ganze Kirche in unserem Bistum auf der Suche nach neuen Wegen im Dienst für die Menschen;
für alle, die die Zeichen der Zeit verstehen und die Geister gut unterscheiden.]

V: Vernimm o Gott, unsere Bitte - A: Achte auf unser lautes Flehen

(oder: GL 272 erste Zeile:
(V:) Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte, (A:) komm uns zu Hilfe mit göttlicher Kraft)

Abschluss-Gebet

Du, Gott, hörst unsere Bitten und vernimmst unser Flehen
- ob es laut ist oder still und leise.
Wir danken dir für die Stärke deiner Liebe
- heute und morgen und bis in deine Ewigkeit.

Amen

Quelle: Bistum Trier

17.07.2020

drucken | zurück