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75. Gemeindebrief zum 05.09.2021

Einführung zum 23. Sonntag im Jahreskreis

Er hörte nichts.
Und wenn er etwas sagen wollte, konnte er nur stammeln.
Laute, die aus seiner Kehle zu kommen schienen.
Dabei wollte er so viel sagen!
Dabei hatte er so viel zu sagen!
Kopf und Herz waren voll.
- Sie möchten gerne wissen, von wem ich gerade erzähle?
Entschuldigen Sie, ich kenne nicht einmal seinen Namen.
Der Evangelist Markus erzählt von ihm.
Die Geschichte eines Taubstummen.
Eines Menschen, dem die Welt still geworden ist.
Vielleicht auch von Anfang an still war.
Am Schluss ist ein großes Staunen in der Welt.
Laut und vernehmlich. Kaum zu überhören.
So viele Stimmen!
In einem Satz, komprimiert:
„Er - Jesus - hat alles gut gemacht; er macht,
dass die Tauben hören und die Stummen sprechen."

Klaus Koltermann, Pfarrer
Telefon: 02133 91591
Mail: pastor.koltermann@dormagen-nord.de

Lesung aus dem Buch Jesaja

Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie. Sie wird prächtig blühen und sie wird jauchzen, ja jauchzen und frohlocken. Die Herrlichkeit des Libanon wurde ihr gegeben, die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Sie werden die Herrlichkeit des HERRN sehen, die Pracht unseres Gottes.
Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie!
Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott!
Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes!
Er selbst kommt und wird euch retten.
Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet.
Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe.
Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Wassern. Auf der Aue, wo sich Schakale lagern, wird das Gras zu Schilfrohr und Papyrus.
Dort wird es eine Straße, den Weg geben; man nennt ihn den Heiligen Weg.
Kein Unreiner wird auf ihm einherziehen; er gehört dem, der auf dem Weg geht, und die Toren werden nicht abirren. Es wird dort keinen Löwen geben, kein Raubtier zieht auf ihm hinauf, kein einziges ist dort zu finden, sondern Erlöste werden ihn gehen. Die vom HERRN Befreiten kehren zurück und kommen zum Zion mit Frohlocken. Ewige Freude ist auf ihren Häuptern, Jubel und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen.

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen.

Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm:
Effata!, das heißt: Öffne dich!

Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.
Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen.
Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es.
Sie staunten über alle Maßen und sagten:
Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Gedanken zum Sonntag

Menschen bringen einen Taubstummen zu Jesus, damit er ihm die Hand auflegt.
Aber das tut er nicht. Er macht viel mehr.
Dem Taubstummen gilt seine ganze Zuwendung.
Er tritt in Beziehung zu ihm, liebevoll, achtsam.
Diese Geste sagt: „Du bist mir wichtig. Jetzt nehme ich mir Zeit nur für dich."
Eine heilende Beziehung nimmt ihren Anfang. Sie ist nicht auf den Beifall der Massen aus und entsteht in der Intimität, abseits der Menge, weg von den Sensationslustigen und Gaffern, sogar weg von denen, die es gut mit dem Taubstummen meinen.
Wie wichtig und heilsam liebevolle Berührungen sind, haben wir in den letzten Monaten der Pandemie gespürt. So oft hat uns eine Umarmung, ein aufmunterndes Schulterklopfen oder ein freudiges Händeschütteln gefehlt.

Jesus berührt das, was krank ist, gefesselt und gefangen.
Er berührt die Ohren, die nicht hören können, und die Zunge, die nicht sprechen kann. Jesus berührt die Unzulänglichkeiten und Unvollkommenheiten der Menschen. Seine Berührung bleibt nicht an der Oberfläche, sie geht tiefer. Er berührt, was das Innerste des Menschen ausmacht, Jesus berührt sein Herz. Denn der Herr hat ein Herz für die Menschen, besonders für diejenigen, die leiden müssen.

Dieser Blick verbindet den Taubstummen mit dem Himmel, verbindet Gott und Mensch. Segen und Heil, heilsame Kraft von oben, Geist und Leben und ganz viel Liebe liegen in diesem Blick.
Der Blick zum Himmel fokussiert die schlimme Situation des Taubstummen hinein in die Dynamik des dreifaltigen Gottes.
Dieser Blick ist stärker als die Mächte des Bösen, stärker als das Leid und das Elend der Welt.
Dieser Blick ist stärker als die Taubheit der Ohren und die Stummheit des Mundes.
Dieser Blick öffnet für Gottes befreiendes Handeln.
In diesem Blick ist Leben in Fülle.

Menschen seufzen, wenn sie Mitleid haben, wenn es anderen schlecht geht, wenn etwas so richtig übel und schlimm ist. Jesus hat Mitleid mit dem Taubstummen. Er nimmt zutiefst Anteil am Leiden. Jesu seufzt zum Himmel, er leiht dem Stummen sein lautes Seufzen, das schreit: „Himmel, hilf!" Wenn Menschen zum Himmel seufzen, sehnen sie sich nach Leben und Angenommensein, nach Heil und Rettung, nach Freiheit und Weite, nach Gemeinschaft und Geborgenheit.

Die ganze Sehnsucht des Taubstummen liegt in diesem Seufzer des Herrn: Ich möchte wieder reden und hören können.
Ich möchte Beziehung pflegen und Gemeinschaft erfahren.
Ich möchte Worte hören, die trösten, aufmuntern, Mut machen und Freude vermitteln.
Ich möchte mich ansprechen lassen und mich anderen mitteilen.
Ich möchte nicht mehr ausgegrenzt sein.

Das Wunder geschieht! „Effata" – das befreiende Wort öffnet die Ohren des Taubstummen und löst seine Zunge. Er ist nicht mehr ausgeschlossen von der Gemeinschaft der Menschen sondern kann sein Leben in einer ganz neuen Qualität mit ihnen teilen, seine Freude und sein Glück, seine Sehnsucht und seine Träume, mit allen Sinnen, mit Leib und Seele.
Oft sind auch die Ohren der Menschen verschlossen, die nicht taubstumm sind, und ebenso ihr Mund. Sie hören nicht den Schrei ihrer Mitmenschen nach Liebe und Zuwendung, sie hören nicht den oft lautlosen Schrei der Armen, die Hilfe brauchen.
Sie hören nicht, wie der Teenager, der mit seinem Leben nicht mehr zurechtkommt, durch sein furchtbares Benehmen ruft: „Hilf doch!"
Sie hören nicht die Einsamkeit des alten Mannes, dessen Frau gestorben ist, und der sich so über einen Besuch freuen würde oder über einen Anruf.
Aber der Ruf „Effata" öffnet nicht nur die Ohren der Menschen sondern auch ihr Herz. Das befreiende Wort des Herrn macht die Herzen der Menschen empfänglich für die Not ihrer Mitmenschen. „Effata" löst auch die Fessel der Zunge, wenn Menschen schweigen, wo sie reden sollten.
„Effata" befreit zum Reden, wenn man für andere sprechen, auf Unrecht hinweisen, und gegen Vorurteile und Stammtischparolen mutig Widerspruch einlegen soll.
„Effata" befreit zum Reden dort, wo man sich nicht traut, denn das Wort des Herrn befreit von Angst und Unsicherheit.
„Effata" öffnet nicht nur die tauben Ohren und löst die stumme Zunge, es öffnet das Herz für die Gemeinschaft mit Gott und mit den Menschen, das Wort des Herrn befreit zum Leben.

Pastor Klaus Koltermann

Einleitung

Jesus berührt die Menschen in Not und lässt sie und uns sehen und hören,
sprechen und handeln.

Die Not in unserer Welt berührt auch uns;
wir dürfen sie Gottes Liebe anvertrauen mit der Bitte:

Bitten

1. Wir sehen heftige Stürme und gewaltige Wasserflutenund beten für die Menschen, deren Leben davon zerstört ist und die alles verloren haben.
Und für die vielen, die ihnen zu Hilfe eilen –
jetzt, zeitnah und so lange wie nötig.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

2. Wir hören von den Menschen in Afghanistan,
die Angst haben müssen vor dem neuen Regime.
Wir beten für alle, die getötet oder verletzt worden sind;
für die vielen, die noch auf Rettung warten und das Land verlassen wollen.
Und für die Nachbarländer und die anderen, die jetzt Menschen in Not aufnehmen.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

3. Wir wissen, dass die Impfung helfen wird, die Corona-Pandemie zu besiegen.
Wir beten für alle, die noch nicht geimpft sind, für die akut Kranken und viele,
die an Langzeit-Covid leiden;
und besonders für die Kinder.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

4. Wir schauen auf die letzten Wochen vor den Wahlen und hoffen, dass möglichst viele verantwortlich entscheiden und wählen werden.
Wir beten für alle, die für Mandate und Ämter kandidieren und den Zusammenhalt stärken wollen durch Achtsamkeit, Solidarität und Gerechtigkeit.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

5. Wir erleben, dass Menschen mit ihren Entscheidungen auch viele andere betreffen.
Wir beten für die Bahn und die Gewerkschaft und alle, die den Streit schlichten können. Und für alle Menschen, die in diesen Tagen unterwegs sind
- ob zur Arbeit oder im Urlaub.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

6. Voller Hoffnung gehen in diesen Wochen Kinder und Jugendliche
wieder zur Schule oder starten in eine Ausbildung.
Wir beten für sie und für alle, die noch keinen Platz gefunden haben;
und für die Erwachsenen, die ihnen helfen, gesund zu bleiben und
zuversichtlich und einen guten Weg fürs Leben zu finden.

- kurze Stille - V: Komm, Herr, rette uns - A: erbarme dich unserer Zeit!

Abschluss-Gebet

Jesus Christus, du hast alles gut gemacht

und bist die Hoffnung auch für unsere Zeit.

Wir danken dir und loben dich mit dem Vater

im Heiligen Geist - heute und morgen und bis in deine Ewigkeit.

Amen

Quelle: Bistum Trier

03.09.2021

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