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Gemeindebrief zum 5. Sonntag im Jahreskreis 05./06.02.2022

Einführung

Wenn man alles stehen und liegen lässt, muss etwas oder jemand wirklich wichtig sein. Das gilt in ganz alltäglichen Situationen: Wenn ein Kind mit einem gefährlichen Gegenstand hantiert oder lieber Besuch unangekündigt vor der Tür steht, denken wir nicht lange nach. Denn wir haben die Folgen, ob nun gefährlich oder angenehm, unmittelbar vor Augen. Manchmal entscheiden sich so aber auch die großen Dinge des Lebens. Im heutigen Evangelium hören wir von der dramatischen Begegnung des Fischers Simon und seiner Mitarbeiter mit Jesus. Sein Ruf lässt sie alles aufgeben, weil sie ihn als den erkennen, in dem sie alles gewinnen werden.

Pastor Klaus Koltermann

1. LESUNG - JES 6,1-2A. 3-8

Lesung aus dem Buch Jesaja.

Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn auf einem hohen und
erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus.
Serafim standen über ihm.
Und einer rief dem anderen zu und sagte:
Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen.
Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit.

Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch.
Da sagte ich: Weh mir, denn ich bin verloren.
Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk
unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen,
haben meine Augen gesehen.

Da flog einer der Serafim zu mir und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte.
Er berührte damit meinen Mund und sagte: Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt.
Da hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte:
Wen soll ich senden?
Wer wird für uns gehen?

Ich sagte: Hier bin ich, sende mich!

2. LESUNG - 1 KOR 15,1-11

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth.

Ich erinnere euch, Brüder und Schwestern, an das Evangelium,
das ich euch verkündet habe.
Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht.
Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet werden, wenn ihr festhaltet an dem Wort, das ich euch verkündet habe, es sei denn, ihr hättet den Glauben unüberlegt angenommen.
Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe:
Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift,
und ist begraben worden.
Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift,
und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.
Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich;
die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen.
Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln.
Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt.
Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert,
Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe.
Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir.
Ob nun ich verkünde oder die anderen:
Das ist unsere Botschaft und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt.

EVANGELIUM - LK 5,1-11

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

In jener Zeit, als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen.
Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon:
Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Simon antwortete ihm:
Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.

Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische;
ihre Netze aber drohten zu reißen.
Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte:
Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!
Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der
Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.
Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht!
Von jetzt an wirst du Menschen fangen.
Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

Predigt

Ein Blick in die Geschichte kann uns manches lehren, so z. B. das Jahr 1494: zwei Jahre nach der Landung von Christoph Columbus in Amerika, teilten Spanien und Portugal die Welt neu unter sich auf. Eine gerade Nord-Süd-Linie durch den Atlantik schlug alle östlichen Gebiete mit Afrika und dem heutigen Brasilien Portugal zu; alle westlichen Gebiete gingen an Spanien. Die Eroberung sollte mit Segen des Papstes geschehen, der bereits im Jahr zuvor seine Freude darüber ausgedrückt hatte, dass nun der Glaube in die Regionen der Ungläubigen getragen würde. Was folgte, das wissen wir von den Historikern, war ein Völkermord ungeheuren Ausmaßes. Millionen indigener Menschen wurden systematisch getötet, in Minen und auf Plantagen zu Tode geschunden, verhungerten oder starben an eingeschleppten Krankheiten. Das Leid in einem System hemmungsloser Ausbeutung, von dem nicht zuletzt auch die Kirche profitierte, war unermesslich.

Die gewaltsame „Christianisierung" der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas, in der Menschen wortwörtlich zur Beute wurden, ist nur ein Beispiel von vielen aus der Geschichte der Kirche, die dem Bild des Menschenfischers einen bitteren Beigeschmack verleihen und die eigentliche Intention Jesu in absurder Weise verkehren. Seine Botschaft aber ist eine Einladung zum Glauben, die in Freiheit angenommen werden will. Gefangen zu werden hingegen heißt, seine Selbstbestimmung zu verlieren. Man kann Menschen nicht in die Kirche zwingen wie Fische, nach denen man das Netz auswirft und für die es kein Entkommen gibt.

Das Beispiel der mörderischen Zwangsbekehrung in den spanischen Kolonien ist extrem, aber Machtmissbrauch in der Kirche hat viele Erscheinungsformen, wie wir es in den vergangenen Monaten erfahren haben. Wie viele Menschen, gerade aus der älteren Generation, haben auch Erfahrungen von spirituellem, moralischem oder sozialem Zwang machen müssen? Dazu stehen wir erst am Anfang der Aufarbeitung des physischen und psychischen Missbrauchs, der das Leben Hunderttausender belastet oder gar zerstört hat.

Aber nun konkret zum Evangelium: Das Bild des Fischzugs ist für uns auch deshalb schwierig, weil wir die Verkündigung des Glaubens hier in Europa gerade in einer Sackgasse erfahren. Viele Kirchenoffizielle und Ehrenamtliche dürften sich nur zu gut mit Simon identifizieren können, der müde und frustriert am Ufer sitzt und ratlos seine Netze flickt, die für keine Art von Fisch mehr zu taugen scheinen. Immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab oder werden erst gar nicht getauft. Dafür gibt es viele Gründe, die an vielen Stellen analysiert und nicht pauschal auf eine individuelle Glaubensmüdigkeit reduziert werden sollten. Auch in Familien erfahren wir einen Abriss der Glaubensweitergabe. Eltern und Großeltern fragen sich oft, was sie denn falsch gemacht haben, wenn Kinder und Enkelkinder keinen Bezug zur Kirche mehr haben und ihnen der Glaube nichts bedeutet. Dahinter höre ich oft eine tiefe Traurigkeit, die nichts mit dem Verschwinden von vertrauten und liebgewonnenen Traditionen zu tun hat, sondern mit einer echten Sorge darüber, dass die nächste Generation das Leben ohne den Glauben wird bewältigen müssen, den man selbst als Rückhalt, Trost und Freude erfahren hat. Was kann also neu überlegt werden?

1. Zunächst ist ein großes Feingefühl bei der Verwendung der biblischen Bilder von Fischen und anderen Tieren anzuraten. Nicht nur ist die Zeit von Zwangsbekehrungen und Druckausübung vorbei. Unsere Gesellschaft reagiert ausgesprochen allergisch auf Menschen oder Institutionen, die ihr Wahrheiten aufoktroyieren oder Lebensweisen vorschreiben wollen. Empathie ist auch notwendig im kirchlichen Umgang miteinander, wenn ein wirklicher Aufbruch auf einem gemeinsamen Weg gelingen soll. Wie werden die Rollen und Aufgaben von Klerus und Laien in der heutigen Zeit zu formulieren sein? Wo verlaufen die Trennlinien zwischen Fischer und Fischen, Hirten und Schafen und können überwunden werden?

2. Simon war ein Fischer mit Berufserfahrung. Er wusste, wann und wo er auf einen lohnenden Fang hoffen konnte. Trotzdem lässt er sich überzeugen, zur Unzeit hinauszufahren und, in der Begegnung mit dem Auferstandenen bei Johannes, das Netz auf der anderen Seite des Bootes auszuwerfen. Die Verkündigung des Evangeliums braucht Menschen, die bereit sind, auch Ungewohntes und Neues auszuprobieren und Dinge zu tun, die vielleicht zunächst wenig aussichtsreich erscheinen. Was trauen wir uns und einander zu? Wie gehen wir mit Leuten um, die mit neuen oder revolutionären Ideen kommen? Was wird aus der Kirche werden, wenn uns gerade die kreativen Leute davonlaufen?

3. Am Ende steht auch die Erkenntnis, dass Erfolg und Misserfolg letztlich nicht allein von uns abhängen. Es ist nicht nur Simons Leistung, dass der Fang überreich ist. Er hat sich, seine Arbeit und sein Boot zur Verfügung gestellt und auf Jesus vertraut.

Pastor Klaus Koltermann

Fürbitten Einleitung

Jesus fordert Simon auf:

Fahr hinaus, wo es tief ist.

Wie Simon wollen wir auf Jesus vertrauen.

So bringen wir unsere Bitten vor Gott und legen ihm
die Anliegen und Sorgen der Menschen ans Herz:

Bitten

1. Wir denken an den Doppelmord von Kusel:
an die ermordeten jungen Menschen, die Polizistin und den Polizisten;
an ihre Angehörigen und alle, die um sie trauern;
an ihre Kolleginnen und Kollegen, die weiterhin ihren Dienst tun;
und an alle, die sich für das Gemeinwohl engagieren
und dabei Unrecht und Gewalt erleiden...
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

2. Wir denken an den Konflikt, von dem die Ukraine bedroht wird:
an die Menschen, die dort selbstbestimmt und in Frieden leben wollen;
an diejenigen, die um die Macht ringen und Menschenleben aufs Spiel setzen;
und an alle Politikerinnen und Politiker, die an friedlichen Lösungen arbeiten.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

3. Wir denken an die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt:
an diejenigen, die weiter an der Zukunft der Kirche arbeiten wollen;
an die Menschen, die dafür mutige Entscheidungen treffen;
und an alle, die sich in der Kirche für Gerechtigkeit und Aufbruch einsetzen.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

4. Wir denken an die Aktion OutInChurch:
an die Menschen, die ihre sexuelle Orientierung offengelegt haben
trotz aller Ängste und Sorgen um ihre Arbeitsplätze;
an die Vorgesetzten, die eine Kirche ohne Angst gestalten;
an alle Menschen, die darum ringen, dass ihr Lebensentwurf gelingt;
und an alle, die Beziehung und Liebe ernst nehmen.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

5. Wir denken an die Nachrichten über sexualisierte Gewalt in unserer Kirche:
wir denken an die Kinder und Jugendlichen, die Männer und Frauen,
deren Leben durch die Taten zerstört wurde;
an die vielen, die als Mitglieder unserer Kirche unter dieser Situation leiden;
und an die Schwestern und Brüder, die der Kirche jetzt den Rücken kehren.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

6. Wir denken an die Auseinandersetzungen um die Pandemie:
an die Familien und Gruppen, die unter verhärteten Fronten leiden;
an die Menschen, denen Freundschaften zerbrochen sind;
und an die, die trotz unterschiedlicher Meinungen auf andere zugehen.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

7. Wir denken an das Engagement in unseren Gemeinden:
an die vielen, die ehrenamtlich mitarbeiten;
an alle, die an der Sinnhaftigkeit ihres Einsatzes zweifeln;
und an alle Frauen und Männer, denen Jesu Gute Nachricht wichtig ist.
- kurze Stille - V: Gott, dir vertrauen wir sie an. - A: Wir bitten dich erhöre uns

Abschluss-Gebet

Gott, du kennst unsere Sorgen und Ängste.

Wir vertrauen auf dich und fahren hinaus dorthin, wo es tief ist.

Du begleitest uns und gibst Mut auf neuen Wegen.

Dafür danken wir dir durch Christus unseren Herrn.

Amen.

Quelle: Bistum Trier

04.02.2022

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