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104. Gemeindebrief Sonntag, 12.06.2022

Liebe Gemeinde,

ereignisreiche Wochen liegen zurück, die Spuren hinterlassen haben – der Pilgerweg nach Rom – Walk for Change and solidarity. Insbesondere die vielfältigen Begegnungen und Gespräche mit Menschen unterwegs sowie Augenblicke der persönlichen Einkehr sind unvergesslich. Da kommt mir persönlich die alttestamentliche Lesung des Dreifaltigkeits-Sonntages entgegen – erwachsen werden im Leben und im Glauben...

Klaus Koltermann, Pfarrer
Telefon: 02133 91591
Mail: pastor.koltermann@dormagen-nord.de

Erste Lesung Spr 8, 22–31 Lesung aus dem Buch der Sprichwörter

So spricht die Weisheit Gottes:
Der Herr hat mich geschaffen als Anfang seines Weges,
vor seinen Werken in der Urzeit;
in frühester Zeit wurde ich gebildet,
am Anfang, beim Ursprung der Erde.
Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren,
als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen.
Ehe die Berge eingesenkt wurden,
vor den Hügeln wurde ich geboren.
Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren
und alle Schollen des Festlands.
Als er den Himmel baute, war ich dabei,
als er den Erdkreis abmaß über den Wassern,
als er droben die Wolken befestigte
und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer,
als er dem Meer sein Gesetz gab
und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften,
als er die Fundamente der Erde abmaß,
da war ich als geliebtes Kind bei ihm.
Ich war seine Freude Tag für Tag
und spielte vor ihm allezeit.
Ich spielte auf seinem Erdenrund
und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.

Gedanken

Endlich erwachsen werden, endlich auf eigenen Füßen stehen. Selbst-ständig sein und auf niemanden angewiesen, das ist der Wunsch, den wir nicht nur als Kinder und Jugendliche haben, sondern unser ganzes Leben lang. Es ist in jedem Alter erfüllend und auch befriedigend, selbstbestimmt zu handeln, für sich selbst zu sprechen und selbstständig Entscheidungen zu treffen.
Auch im Glauben erwachsen sein und auf eigenen Füßen stehen oder gehen – wie in den vergangenen drei Wochen auf einem Pilgerweg nach Rom geschehen – mit persönlichen Schritten auf dem Weg zu sein. Das gehört wohl auch zum Christ-Sein dazu. Auf einem solchen Weg des Pilgerns können folgende Gedanken begleitend sein:
Wer kreativ tätig ist, etwa in einem künstlerischen Beruf oder als Hobby-Bastler, der weiß, wie erfüllend es sein kann, selbst etwas zu erschaffen. Dies gelingt aber meist nur, wenn der Prozess des Schaffens einer gewissen inneren Logik folgt: Bei aller Kreativität braucht es auch ein wohlbedachtes Handeln, immer mal wieder muss man innehalten und über den nächsten Schritt nachdenken und vor allem den Überblick behalten. Für kreatives Handeln braucht es - um es mit einem vielleicht inzwischen etwas aus der Mode gekommenen Wort zu sagen - Weisheit. Wer sich beruflich viel mit unterschiedlichen Meinungen und Theorien beschäftigt oder privat Interesse an politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen hat, vielleicht viel Zeitung liest oder Nachrichten schaut, der weiß, dass es zufriedenstellend sein kann, selbstständig über Meinungen und Argumente nachzudenken. Und es gehört zur menschlichen Freiheit, dass wir unsere Ansichten selbstständig äußern können.
Für das selbstständige Denken braucht es etwas, das wohl immer mehr aus der Mode kommt: Wahrheit. Auch dies ist inzwischen kein Wort mehr, das wir allzu oft hören oder gebrauchen. Und schließlich gehört auch die Freiheit, selbstständige Entscheidungen zu treffen, zum menschlichen Leben dazu. Angefangen bei den großen Fragen, wie, wo und mit wem wir unser Leben verbringen möchten bis hin zu kleinen Entscheidungen des Alltags. Dabei geht es nicht nur um konkrete Handlungen, sondern auch darum, wie wir über uns selbst denken und wie andere über uns sprechen. Keiner lässt sich gerne von anderen sagen, dass er sich mehr anstrengen muss oder gescheitert ist. Für selbstständige Entscheidungen braucht es die Hoffnung, dass die Entscheidung richtig war.
Wir wollen oft alleine stehen können, selbst-ständig und selbstbestimmt denken, handeln, entscheiden. Die Psychotherapie spricht bei diesem Prozess von der »Selbstverwirklichung« - ein Stichwort, das uns an vielen Ecken und Enden begegnet. Dabei geht es aber nicht darum, „irgendetwas" der „irgendjemand" zu werden, sondern sich selbst immer ähnlicher zu werden. Immer mehr herauszufinden, wer ich eigentlich bin, wo meine Stärken und Schwächen liegen und wie ich zu meinen manchmal sehr verborgenen guten und schlechten Charaktereigenschaften stehen kann. In diesem Werden ist der Mensch aber keine Insel. Wir sind selbst-ständig, aber wir sind auch aufeinander ausgerichtet, wir stehen alle in Beziehungen und sind im Dialog. Wir haben enge oder lockere Beziehungen zu anderen Menschen, wir haben eine oftmals ambivalente Beziehung zu uns selbst und wir pflegen unsere Beziehung zu Gott. Das Pilgern in der Gruppe offenbart hier, wie sehr der Mensch in Beziehungen lebt und durch sie geprägt wird.

Selbstständigkeit und Beziehungsfähigkeit zeichnen nicht nur den Menschen aus. In der alttestamentlichen Lesung spricht die Weisheit und berichtet, wie sie Gott, den Vater, bei seiner Schöpfung begleitete. Es ist ein gewaltiges Wirken des Schöpfers, die Erde aus dem Nichts zu erschaffen und er tut dies mit Weisheit, also wohlbedacht. Während der Vater die Erde erschuf, kommt Jesus, der Sohn, in die Welt, um die Liebe Gottes zu verkünden und den Menschen Hoffnung zu bringen. Und er lebt diese Liebe bis zum äußersten, er erträgt den Tod am Kreuz und bringt dadurch die Erlösung und die Hoffnung auf das ewige Leben. Es ist eine gewaltige Handlung des Sohnes. Und dann ist da noch der Heilige Geist. Eine Kraft, die unsichtbar handelt und dennoch enorme Wirkung hat, man denke nur an die Feuerzungen des Pfingstfestes und die Gaben, die über den Jüngern ausgegossen werden. Und die Jünger erkennen durch den Heiligen Geist, was Wahrheit ist und aus dieser Wahrheit heraus verkünden sie den Glauben.
Es ist ganz und gar nicht so, dass die Dreifaltigkeit in der Bibel nur im Dreierteam auftritt. Ganz im Gegenteil: In den sichtbaren Dingen handelt jede Person für sich alleine. Sie sind in sich selbst-ständig. Das heißt, jeder kann buchstäblich alleine stehen und benötigt niemanden als Stütze oder gar Krücke. Und doch sind die drei aufeinander ausgerichtet, leben in einer engen Beziehung und sind im Dialog miteinander. Und die Dreifaltigkeit steht in einer Beziehung zu uns, das ganze göttliche Wirken ist auf den Menschen ausgerichtet.
An dieser Stelle nun aber unterscheiden wir uns von dem „göttlichen Dreierteam": Wir können die Welt nicht aus dem Nichts schaffen, wir können die Welt nicht erlösen und wir werden die Welt nicht komplett erneuern. Unser menschliches Leben ist fehleranfällig. Selbst wenn wir uns redlich bemühen und versuchen, weise zu handeln, die Wahrheit zu finden und hoffnungsvoll zu sein, irgendwann kommen wir an eine Grenze. Für manches sind wir selbst verantwortlich, andere Dinge geschehen, ohne dass wir Schuld daran haben. Als Menschen sind wir immer im Werden. In der Sprache des Glaubens nennen wir dieses Werden nicht mehr nur Selbstverwirklichung, sondern Heilung, ja noch mehr: Heiligung. Heiligung ist ein Prozess, der jedem von uns aufgetragen ist: nämlich immer mehr sich selbst ähnlich zu werden, seine Selbstständigkeit in der Welt zu finden, immer mehr „heil", also ganz, zu werden. Dazu gehört, dass wir einen Selbst-Stand entwickeln, eigene Meinungen haben, eigene Entscheidungen treffen, kreativ handeln.
Damit wir heil werden können, brauchen wir aber ebenso auch Beziehungen. Immer dann, wenn diese Beziehungen zweckfrei sind, wenn es nicht mehr um eigene Vorteile oder einen Gewinn geht, sondern einfach um den anderen, um das Zusammensein, um das Kennenlernen, um eine Vertiefung dieser Beziehung, werden wir ein bisschen mehr wir selbst. Ob uns dies gelingt, hängt auch davon ab, wie viel wir uns in der Begegnung mit anderen Menschen von der Weisheit, der Wahrheit und der Hoffnung leiten lassen.

Zweite Lesung Röm 5, 1–5

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Gerecht gemacht aus Glauben,
haben wir Frieden mit Gott
durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Durch ihn haben wir auch im Glauben
den Zugang zu der Gnade erhalten,
in der wir stehen,
und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes.
Mehr noch,
wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse;
denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld,
Geduld aber Bewährung,
Bewährung Hoffnung.
Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen;
denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen
durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Evangelium Joh 16, 12–15

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Noch vieles habe ich euch zu sagen,
aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit,
wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden,
sondern er wird reden, was er hört,
und euch verkünden, was kommen wird.
Er wird mich verherrlichen;
denn er wird von dem, was mein ist, nehmen
und es euch verkünden.
Alles, was der Vater hat, ist mein;
darum habe ich gesagt:
Er nimmt von dem, was mein ist,
und wird es euch verkünden.

Fürbitten

Gott ist uns geheimnisvoll verborgen
und doch in seinem Sohn Jesus Christus liebend zugewandt.
Im Heiligen Geist ist er Kraft in uns, mit deren Hilfe wir rufen:

Für alle Christen in den verschiedenen Konfessionen weltweit,
die sich zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennen.
Für alle, die wegen ihres christlichen Glaubens
von ihrem Umfeld abgelehnt und verfolgt werden.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die Männer und Frauen, die sich für dafür einsetzen, dass das Wort Gottes
und die Gemeinschaft der Gläubigen mit Jesus Christus
in den Gottesdiensten erfahrbar wird.
Wir beten für alle, die immer wieder um gute Gestaltungsformen
und eine ausdrucksstarke Sprache ringen.
Besonders denken wir dabei anlässlich des 75-Jährigen Bestehens
an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Liturgischen Institutes in Trier.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die Menschen in den umkämpften Gebieten der Ukraine,
die die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe nicht aufgeben wollen.
Wir beten für jene, die verzweifelt sind,
und für alle, die das Land verlassen haben
und die sich und ihren Kinder ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen versuchen.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die Menschen in vielen Regionen Ostafrikas,
die die Dürre und Heuschreckenplage der letzten Jahre, die Pandemie
und nun die steigenden Getreidepreise an den Rand einer Hungersnot treiben.
Für die Eltern, die sich um das Überleben ihrer Kinder sorgen.
Für die Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen,
die das Schlimmste zu verhindern versuchen.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die Kinder und die vielen Menschen,
die in den letzten Wochen Opfer von Waffengewalt in den USA wurden.
Für alle, die in den letzten Tagen auch bei uns in Deutschland
von Schusswaffen bedroht wurden.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die Opfer der tödlichen Autofahrt in Berlin und ihre Angehörigen.
Wir denken an alle, die durch die Tat verängstigt worden sind.
Wir beten auch für den Täter in seiner Verwirrung.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

Für die vielen Opfer des Massakers am Pfingstsonntag in einer Kirche in Nigeria.
Für alle, die entsetzt auf diesen erneuten Ausbruch islamistischer Gewalt schauen
und die sich dennoch für ein friedliches Zusammenleben
der Gläubigen aller Religionen einsetzen.
Wir beten für die Regierenden in Nigeria und alle Frauen und Männer,
die sich für ein Ende des Terrors in ihrem Land einsetzen.
Dreifaltiger Gott - (A:) Wir bitten dich, erhöre uns.

 

Abschluss-Gebet

Unbegreiflicher Gott, du schenkst uns Menschen Anteil am Geheimnis der Dreifaltigkeit,
an deiner bedingungslosen, sich verströmenden Liebe.
Dafür danken wir Gott dem Vater, durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Amen.

*Quelle: Bistum Trier

10.06.2022

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