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106. Gemeindebrief zum 10.07.2022

Liebe Gemeindemitglieder,

in der Mitte der Sommerferien schauen wir einmal nicht auf die vielfältigen Probleme unserer Zeit, sondern wir können uns von den Texten des Kirchenjahres neu inspirieren lassen.

Vielleicht haben Sie dazu die Gelegenheit einen Nächsten - oder im Urlaub einmal einen fernen Nächsten - mit gutem Zuspruch zu ermutigen oder ihm zu helfen.

Dies wünsche ich Ihnen herzlichst.

Ihr B. Michael Offer, Diakon

Kontakt über das Pastoralbüro:
Tel. 02133-90062

Kyrie

Jesus Christus,
du hast dich uns zugewandt,
dass auch wir einander zuwenden.
Wir schauen oft aneinander vorbei.
Herr, erbarme dich

Du hast uns gelehrt, im Nächsten Gott zu suchen.
Wir erschaffen unsere eigenen Götter.
Christus, erbarme dich

Du mahnst uns, unsere Stärken einzusetzen für die Schwachen.
Oft sind wir hilflos.
Herr, erbarme dich

Gott,
nimm von uns, was uns belastet, schwächt und hilflos macht.
Lass in uns das Gute und Starke wachsen
zu unserem Wohl und zum Nutzen der Anderen.

Tagesgebet

Gott, du bist unser Ziel,
du zeigst den Irrenden das Licht der Wahrheit
und führst sie auf den rechten Weg zurück.
Gib allen, die sich Christen nennen,
die Kraft, zu meiden,
was diesem Namen widerspricht,
und zu tun, was unserem Glauben entspricht.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

1. Lesung aus dem Buch Deuteronomium

Mose sprach zum Volk:
Der Herr wird dir Gutes tun.
Denn du hörst auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, und bewahrst seine Gebote und Satzungen, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind, und kehrst zum Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurück.
Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir.
Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest:
Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können?
Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest:
Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können?
Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.

2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolossä

Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten;
alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen.
Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand.
Er ist das Haupt, der Leib aber ist die Kirche.
Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang.
Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen,
um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen.
Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen,
der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

In jener Zeit stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus auf die Probe zu stellen,
und fragte ihn:
Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?
Er antwortete:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.
Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet.
Handle danach und du wirst leben!
Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus:
Und wer ist mein Nächster?
Darauf antwortete ihm Jesus:
Ein Mann ging von Jerusalem nach Jéricho hinab und wurde von Räubern überfallen.
Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder;
dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen.
Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber.
Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber.
Ein Samaríter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie.
Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denáre hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde?
Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat.
Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!

Predigt

„Liebe Deinen Nächsten!" heißt der Kernsatz dieses Evangeliums.
„Liebe" - das ist ein großes Wort.
Sicher verbindet jeder Mensch damit andere Erfahrungen und Erwartungen.
Hier, an dieser Stelle der Bibel, ist nicht die Rede von starken Gefühlen in einer engen Beziehung. Es geht auch nicht darum, dass uns jeder, der uns begegnet, sympathisch sein muss. Auch fordert Jesus nicht, dass wir aus Pflichtgefühl, aus Gesetzestreue, „Liebe" üben sollen. Denn das wäre keine Nächstenliebe so wie Gott sie für uns Menschen will.
Gott möchte etwas anderes: dass wir „von ganzem Herzen lieben" lernen.
Das „Herz" meint in der Bibel das Innerste einer Person.
Also geht es hier zuerst um eine innere Haltung, nämlich um den Beweggrund,
aus dem heraus wir liebevoll handeln.
Wie dieses „Lieben von ganzem Herzen" sich konkret zeigt – das schildert Jesus am Beispiel des Samariters.

Die Erzählung beginnt dramatisch:
Ein Israelit wird bei einem Raubüberfall schwer verletzt. Als ein Priester und später ein Levit vorüber kommen, scheint Hilfe zu nahen. Schließlich ist da ein Volks- und Glaubensgenosse in Not. Aber in der Erzählung Jesu kommt es ganz anders: Die beiden sehen zwar den Hilfsbedürftigen, aber sie gehen weiter. Genauer übersetzt heißt es: sie „gehen im großen Bogen herum". Also unterlassen es die beiden nicht nur zu helfen, sondern vermeiden es sogar aktiv. Grund dafür bleibt offen und die unterlassene Hilfeleistung wird nicht verurteilt. Denn im Einzelfall mag es dafür triftige Gründe geben: Manchmal sind Menschen gerade nicht in der Lage, sich von der Not anderer anrühren zu lassen. Vielleicht würden sie sich selber damit überfordern oder in Gefahr bringen. Das alles wird hier respektiert.

Dass Jesus hier den Priester und den Levit (Diakon heutzutage ) nicht verurteilt, wundert umso mehr, wenn man streng vom Liebesgebot her denkt: gerade weil die beiden von Berufs wegen dienen, hätten sie ja vorbildlich auch dem Ideal der Nächstenliebe folgen müssen.

Was dagegen für Jesus beim Tun der Nächstenliebe entscheidend ist, veranschaulicht die Art und Weise, wie der Samariter mit derselben Situation umgeht. Er ist kein „Volks- und Glaubensgenosse" des Verletzten, also weder ihm noch dem Gesetz verpflichtet. Aber dieser Mensch ist offen für das, was neben seinem geplanten Weg passiert. Als er den Notleidenden sieht, „ward ihm weh ums Herz". Mit anderen Worten: Er ist von dieser Not im Innersten und als ganze Person berührt. Diese Betroffenheit drängt ihn zum anderen hinzugehen. Beherzt leistet der Samariter dem Verletzten sozusagen Erste Hilfe. Von ganzem Herzen hilft er ihm. Er kann situativ reagieren, vielleicht nicht immer, aber hier und heute.

Anschließend bringt er den Verletzten an einen sicheren Ort und veranlasst, dass er dort von anderen weiter gut versorgt und gepflegt wird. So kann er sich wieder seinen eigenen Pflichten zuwenden – ohne schlechtes Gewissen. Denn auch die Selbstliebe darf nicht vergessen werden. Diesen Menschen stellt Jesus abschließend als Vorbild dar: Der Samariter hilft aufgrund des Liebesgebots, sondern er handelt in dieser Situation ganz spontan im Sinne Gottes. Dies tut er aus seinem Inneren heraus. So erfährt nicht nur der Verletzte erfülltes Leben, sondern zugleich der Helfende selbst.

Anhand dieser Beispielgeschichte können auch wir heute eine solche liebevolle Haltung einüben: Auch wenn ich gerade meinen eigenen Aufgaben nachgehe, versuche ich immer wieder aufmerksam zu sein für andere Menschen, die mir gerade begegnen. Dann werde ich spüren, wenn es mir weh ums Herz wird, weil mich die Not eines anderen anrührt. Da heraus kann ich beherzt handeln und dem anderen einen kleinen Schritt weiterhelfen. Das müssen gar keine großen Taten sein. Das kann auch heißen: einfach schweigend da zu sein oder woanders kompetente Hilfe zu holen. Für den Moment stelle ich meine eigenen Pläne zurück, nehme Umwege in Kauf und verschenke Kraft und Zeit. Dann aber darf ich mich guten Gewissens wieder meinen eigenen Aufgaben zuwenden. Mich selber genauso zu lieben wie den anderen, bedeutet also: Ich muss nicht alles für den anderen tun, ihm nicht alles geben. Sondern: ich helfe ihm im Rahmen meiner eigenen, ganz persönlichen Möglichkeiten.

Auf die Liebe zu sich selbst zu achten kann sogar bedeuten, in manchen Situationen nicht zu helfen: weil es über meine Kraft ginge, weil ich mich dabei selbst gefährden würde oder Ähnliches. So mögen ja auch in Jesu Erzählung der Priester und der Levit ihre persönlichen Gründe für ihr Ausweichen gehabt haben. Dafür werden sie nicht verurteilt.

Oder es gilt Kompromisse zu finden, die der Hilfsbedürftigkeit des anderen und den eigenen Möglichkeiten und Grenzen gleichermaßen gerecht werden. So z. B. wenn jemand seine pflegebedürftigen Eltern in einem Altenheim versorgen lässt, damit ihm selbst genug Zeit und Kraft bleibt, sich ihnen dort entspannt und ohne schlechtes Gewissen zuzuwenden.

Auch mitten im Alltag haben wir viele kleine Gelegenheiten zu Nächstenliebe aus Betroffenheit, z. B. in der Warteschlange an der Supermarktkasse. Wenn ich spüre, dass es einer sehr eilig hat, kann ich ihm den Vortritt lassen. Oder ich sehe, wie eine Mutter mit ihrem kleinen Kind im Wagen alle Hände voll zu tun hat. Vielleicht biete ich ihr dann an, ihre Waren aufs Band zu räumen. Und danach kümmere ich mich weiter um meinen eigenen Einkauf. Nicht mehr und nicht weniger kann „den Nächsten lieben mit ganzem Herzen" bedeuten!

Erinnern Sie sich an die allererste Frage, die im Evangelium der Gesetzeslehrer Jesus stellt? Da heißt es „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?". „Ewiges Leben" bedeutet hier nicht den künftigen Lohn für gute Taten. Nein, Jesus meint damit meistens „erfülltes Leben" im Hier und Jetzt. Und am Beispiel des Samariters beschreibt er, durch welches Tun wir Menschen solches Leben in Fülle erfahren können.
Und fordert auch uns auf: „Geh und handle genauso, ... und Du wirst leben."

Da - mitten in meinem oft so verplanten Alltag – kann ich Leben in Fülle erfahren: am Bahnhof, im Supermarkt, überall... Denn ich gehe aus einer solchen Begegnung mit einem innerlich guten Gefühl heraus. Und vielleicht werde ich sogar von dem anderen Menschen mit einem Funken Dankbarkeit beschenkt, der meinen eigenen Tag ein bisschen heller macht.
Und nicht zuletzt darf ich es dankbar annehmen, wenn ein anderer Mensch mir von Herzen hilft.

Fürbitten

Herr Jesus Christus,
du möchtest, dass wir die Nächstenliebe nicht nur halbherzig leben.
Wir bitten dich:

Stärke in uns das Verlangen und den Willen, vielfältig Menschen ein Helfer zu sein.

Christus, höre uns...

Öffne unser Herz weit für die Menschen,
die in ihrer Notlage nur durch uns Hilfe erhalten können.

Bewege zu Einsicht und Umkehr alle,
die durch ihr Verhalten und Handeln andere in Not- und Leidsituationen bringen.

Segne und stärke das Bemühen derer, die Kranke pflegen, Bedürftigen beistehen, Leidende begleiten, Niedergeschlagene aufrichten.

Sei nahe den Sterbenden in ihrer Not und nimm die Verstorbenen auf in die Gemeinschaft mit dir.

Herr Jesus Christus,
du rufst uns nicht nur auf zu umfassender Nächstenliebe; du schenkst uns auch die nötige Kraft. Dafür danken wir dir immer wieder neu. – Amen.

Schlussgebet

Lebendiger, liebender Gott,
in Jesu Wort und Tat hast Du uns gezeigt,
wie wir Menschen miteinander von Herzen liebevoll umgehen können.
Hilf uns, seinem Beispiel auch in unseren alltäglichen Begegnungen zu folgen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder. - Amen.

Segen

Gott, segne meine Hände,
dass sie behutsam seien,
dass sie halten können,
ohne zur Fessel zu werden,
dass sie geben können ohne Berechnung,
dass ihnen innewohne die Kraft zu trösten und zu segnen.

Gott, segne meine Augen,
dass sie Bedürftigkeit wahrnehmen,
dass sie das Unscheinbare nicht übersehen,
dass sie hindurch schauen durch das Vordergründige,
dass andere sich wohl fühlen können unter meinem Blick.

Gott, segne meine Ohren,
dass sie deine Stimme zu hören vermögen,
dass sie hellhörig seien für die Stimme der Not,
dass sie verschlossen seien für den Lärm und das Geschwätz,
dass sie das Unbequeme nicht überhören.

Gott, segne meinen Mund,
dass er dich bezeuge,
dass nichts von ihm ausgehe, was verletzt und zerstört,
dass er heilende Worte spreche,
dass er Anvertrautes bewahre.

Gott, segne mein Herz,
dass es Wohnstatt sei deinem Geist,
dass es Wärme schenken und bergen kann,
dass es reich sei an Verzeihung,
dass es Leid und Freude teilen kann.

07.07.2022

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