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112. Gemeindebrief zum 28.08.2022

Liebe Gemeindemitglieder,

heute geht es um unseren Platz im Leben.

Wo stehe ich?
Was ist meine Aufgabe in diesem Leben?
Bin ich frei, meinen Platz selbst zu wählen?

Im Evangelium werden wir heute hören, was Jesus zur Platzwahl zu sagen hat.
Nicht immer erkennen die Menschen, welcher der richtige Platz für sie ist.
Lassen wir uns heute auf die Gedanken zu diesem Thema ein und beten:

Du Gott-über-allem, hier sind wir:
um durchzuatmen, um Kraft zu schöpfen,
und um für eine kleine Weile bei dir anzukommen.
Denn unser verletzliches Leben hängt an dir.
Möge deine Hand uns halten, hier und jetzt und für die Dauer der Tage. Amen.

Ihre Hildegard Ziemons
Mitglied der Pfarrbriefredaktion und bei Maria 2.0

Mail: pgr@dormagennord.de

Kyrie

1. Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Weite, Herr, erbarme dich.

2. Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Stärke, Herr, erbarme dich.

3. Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Wärme, Herr, erbarme dich.

4. Meine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Heimat, Herr, erbarme dich.

1. Lesung: Sir 3, 17–18.20.28–29 (19–21.30–31)

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach.

Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden und du wirst geliebt werden von an-erkannten Menschen! Je größer du bist, umso mehr demütige dich und du wirst vor dem Herrn Gnade finden! Denn groß ist die Macht des Herrn, von den Demütigen wird er gerühmt. Es gibt keine Heilung für das Unglück des Hochmütigen, denn eine Pflanze der Bosheit hat in ihm Wurzel geschlagen. Das Herz eines Verständigen wird einen Sinnspruch überdenken und das Ohr des Zuhörers ist die Sehnsucht des Weisen.

2. Lesung: Hebr 12, 18–19.22–24a

Lesung aus dem Hebräerbrief.

Schwestern und Brüder!
Ihr seid nicht zu einem sichtbaren, lodernden Feuer hinzugetreten, zu dunklen Wolken, zu Finsternis und Sturmwind, zum Klang der Posaunen und zum Schall der Worte, bei denen die Hörer flehten, diese Stimme solle nicht weiter zu ihnen reden. Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hinzugetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind, und zu Gott, dem Richter aller, und zu den Geistern der schon vollen-deten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus.
- Wort des lebendigen Gottes

Ruf vor dem Evangelium: Vers: Mt 11, 29ab

Halleluja. Halleluja.

So spricht der Herr:

Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir;
denn ich bin gütig und von Herzen demütig.

Halleluja.

Evangelium: Lk 14, 1.7–14

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen.
Da beobachtete man ihn genau. Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen ein Gleichnis. Er sagte zu ihnen: Wenn du von jeman-dem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz ein! Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann wür-de der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einneh-men. Vielmehr, wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferste-hung der Gerechten.
- Evangelium unseres Herrn Jesus Christus

Predigt - Dialog

Ich habe verstanden, Jesus geht es um den Platz, den wir in unserem Leben einneh-men. Wo stehe ich? Wie verhalte ich mich zu anderen Menschen? Was ist meine Aufgabe? Doch kann ich gar nicht glauben, dass Jesus von uns verlangt, dass wir uns erniedrigen. „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden", sagt Jesus im Evangelium. Aber das gilt doch heute nicht mehr! Wer stellt sich schon freiwillig hinten an? Wer ordnet sich gerne unter? Wer sucht von sich aus den letzten Platz? Ein Sprichwort heißt: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr." Angesehen ist doch der Unabhängige und Leistungsstarke. Gut steht da, wer sich selbst zu helfen weiß, es zu etwas gebracht hat und sich viel, viel-leicht „alles" leisten kann.

Natürlich ist es nicht verwerflich, wenn jemand etwas aus seinem Leben machen will. Es ist nicht verkehrt, etwas erreichen, etwas werden und sein zu wollen. Jeder Mensch empfindet das so. Doch wie nahe liegt auch die Versuchung, sich über andere zu er-heben? Wie nahe liegt die Gefahr, stolz und überheblich zu werden? Oder von oben herab auf andere zu schauen, sie zu verachten und zu meiden? Jesus geht es im heutigen Evangelium nicht um Anstandsunterricht. Es geht ihm nicht um Tischsitten. Aber er mahnt eindringlich zu rechter Bescheidenheit und Demut. Damit liegt er natür-lich nicht im Trend der Zeit, weder damals noch heute. Er kämmt die gesellschaftliche Wirklichkeit sozusagen gegen den Strich.

Wenn ich mehr scheine als ich tatsächlich bin, bin ich nicht mehr wahrhaftig, bin ich nicht mehr ehrlich. Ich mache mir und anderen etwas vor. Wenn ich mich stolz als den Mittelpunkt der Welt betrachte, dann verliere ich die Orientierung und jedes Maß.

Das Gegenteil von Überheblichkeit und Stolz ist Demut. Aber, das Wort Demut ist in Verruf geraten. Denn das, was unter diesem Namen manchmal praktiziert wurde (auch in Kloster- und Kirchenkreisen) und was mit Berufung auf die Demut manchmal ver-langt wurde, hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was Demut wirklich ist. Eine der besten und tiefsinnigsten Definitionen von Demut stammt von Theresa von Avila, von einer Frau, die gewiss nicht auf verkehrte Weise, nämlich buckelig und kriecherisch, demü-tig war.

Theresa von Avila hat ja gegen den Widerstand von kirchlichen Oberen den Karmeli-terorden erneuert und viele Klöster gegründet. Sie stand zu ihrer Überzeugung auch bei Widerstand und Verfolgung. Theresa von Avila war eine selbstbewusste, aufrechte, mutige Frau.

Und doch – oder gerade deswegen – war Demut für sie ein Thema. Theresa von Avila sagt: „Demütig sein heißt: in der Wahrheit sein." In der Wahrheit ist ein Mensch, der weiß, wer er ist und was er kann und gleichzeitig aber auch zu seinen Grenzen und Schwächen steht. In der Wahrheit sein heißt auch, die Grenzen und Schwächen an-derer Menschen kennen und annehmen, ohne daran kaputt zu gehen, aber auch oh-ne die Hände in den Schoß zu legen, ohne zu resignieren und alles über sich erge-hen und mit sich machen zu lassen. „Demütig sein heißt: in der Wahrheit sein."

Welch eine kraftvolle, befreiende Haltung! Es geht nicht darum, sich klein zu machen oder minderwertig von sich zu denken. Es geht vielmehr darum, sich nicht stolz über andere zu erheben. Es geht darum, nicht voll Verachtung auf andere herabzuschau-en. Es geht darum, sich einzuordnen in Gottes Liebesordnung, die kein Oben und Unten kennt. Das ist nicht Schwäche, sondern Stärke. Das engt nicht ein, sondern macht frei. Solche Demut lässt keinen Buckel wachsen, sondern gibt Boden unter die Füße und richtet auf. „Demütig sein heißt: in der Wahrheit sein."
Denn, weder der, der sich selber kleiner macht, als er ist, noch der, der meint größer oder bedeutender zu sein als andere, ist in der Wahrheit.

Ja und das ist heute so aktuell, wie damals. Jeder Mensch, der in der Wahrheit ist, ist ehrlich zu sich selbst und zu anderen Menschen. Er ist wahrhaftig, glaubwürdig, zu-gewandt und zuverlässig. Und der Platz, den er am Tisch einnimmt, wird nicht der Eh-renplatz sein, sondern er wird da hingehen, wo er gebraucht wird, wo er den Men-schen dienen kann. Das ist der Platz, der von Gott für ihn vorgesehen ist.

Fürbitten

Wir bringen vor dich, Gott, wo wir allein nicht weiterkommen.
Wir bringen vor dich, was uns bedrängt.
Wir halten dir unsere Verstrickung, unsere Solidarität und unsere Ohnmacht hin.

1. „Da beobachtete man ihn genau", haben wir gehört. Wie oft passiert es, dass wir einen Menschen sehen und ihn nach unserem ersten Eindruck beurteilen. Wir haben ihn noch gar nicht richtig kennengelernt und stecken ihn schon in eine Schublade. Denken wir an alle, die zu Unrecht verurteilt werden und auf die herabgeschaut wird.
Wir bitten dich um genaues Hinsehen, Hinhören, ein offenes Herz und Toleranz.

Guter Gott, lehre uns wahre Demut!

2. „Nimm nicht den Ehrenplatz ein!", haben wir gehört.
Wir glauben, dass es selbstverständlich ist, dass wir in einem reichen Land leben.
Wir nehmen es als unser Verdienst hin, dass wir im Frieden leben und keinen Mangel leiden müssen. Denken wir an alle Menschen, die unter Kriegshandlungen, Hunger und dem Klimawandel leiden.
Wir bitten dich um Solidarität, Tatkraft und den Mut, Dinge ändern zu können.

Guter Gott, lehre uns wahre Demut!

3. „Lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein", haben wir gehört. Wir umgeben uns gerne mit Menschen, die uns bewundern, von denen wir glauben, dass sie unserer Meinung sind. Wieviel schwieriger ist es, mit Menschen umzugehen, die ausgegrenzt sind, die eine andere Bildung, eine andere soziale Stellung, eine andere politische Meinung haben. Denken wir an alle Ausgegrenzten.
Wir bitten dich um Weitsicht, Aufgeschlossenheit und Vorurteilsfreiheit!

Guter Gott, lehre uns wahre Demut!

4. „Denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten", haben wir gehört. Wir sind es ge-wöhnt, für eine Gefälligkeit eine Gegenleistung zu bekommen. Was Jesus aber von uns Menschen verlangt, ist Freiwilligkeit, Hingabe, Liebe. Denken wir an alle, die un-serer Zuwendung und Hilfe bedürfen.
Wir bitten dich um Achtung und Nächstenliebe.

Guter Gott, lehre uns wahre Demut!

Gott, wir legen dir auch unsere Bitten ans Herz, für die wir keine Worte haben.
Alles, was ungesagt bleibt, nimm es zu dir.
Denn du trägst diese Welt und umgibst uns mit Heil! Amen.

Meditation nach der Kommunion

Wir haben heute gehört, dass wir Menschen einen Platz im Reich Gottes haben.
Wir können diesen Platz frei wählen, dürfen dabei aber nicht übersehen, dass ganz viele Menschen um uns herum auch Plätze beanspruchen und niemand mehr Rechte hat, als alle anderen.
Es ist also gut, wenn wir nicht um die besten Plätze rangeln, sondern unsere Plätze im Einvernehmen mit den anderen Menschen ausloten.
Demut hilft uns bei der Suche nach dem geeigneten Platz. Keine niedermachende Demütigung, sondern eine Demut, die uns die Augen für unsere Nächsten öffnet, un-sere Stärken und Schwächen benennt und uns so im Glauben und Vertrauen auf Gott zum richtigen Platz geleitet.

Theresa von Avila hat es so ausgedrückt:

Mögest du Gott vertrauen, dass du genau dort bist,
wo du vorgesehen bist zu sein.
Mögest du dir der unendlichen Möglichkeiten gewahr sein,
die durch den Glauben geboren werden.

26.08.2022

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