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Gemeindebrief zum 16.10.2022 - 29. Sonntag im Jahreskreis

Einführung

Bleib dran!
Sei tapfer!
Gib nicht auf!
Zieh es durch!

- so lauten ermutigende Sätze, die wir uns selbst oder anderen sagen, wenn wir zu ermüden drohen. Oder wenn wir kurz davor sind, aufzugeben, uns die Motivation verlässt und wir das Ziel aus den Augen verlieren.

Darum geht es auch im Evangelium des heutigen Tages:
Dran bleiben im Gebet und daraus unseren Einsatz
für die Gerechtigkeit stärken!

Pastor Klaus Koltermann

Lesung aus dem Buch Exodus

In jenen Tagen kam Ámalek und suchte in Réfidim den Kampf mit Israel.
Da sagte Mose zu Jósua:
Wähl uns Männer aus und zieh in den Kampf gegen Ámalek!
Ich selbst werde mich morgen mit dem Gottesstab in meiner Hand auf den Gipfel des Hügels stellen.
Jósua tat, was ihm Mose aufgetragen hatte, und kämpfte gegen Ámalek, während Mose, Aaron und Hur auf den Gipfel des Hügels stiegen.

Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker;
sooft er aber die Hand sinken ließ, war Ámalek stärker.
Als dem Mose die Hände schwer wurden, holten sie einen Steinbrocken, schoben den unter ihn und er setzte sich darauf.
Aaron und Hur stützten seine Arme, der eine rechts, der andere links,
sodass seine Hände erhoben blieben, bis die Sonne unterging.
So schwächte Jósua Ámalek und sein Heer mit scharfem Schwert.

Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an Timótheus

Mein Sohn!

Bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast.
Du weißt, von wem du es gelernt hast;
denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dich weise machen können zum Heil durch den Glauben an Christus Jesus.
Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.

Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich:
Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne, in aller Geduld und Belehrung!

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!
Und er wollte lange Zeit nicht.
Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen.
Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
Ich sage euch:
Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.
Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Gedanken zum Evangelium

Das Gleichnis von der Witwe ist nicht nur drastisch, sondern gruselig. Ein Albtraum! Der Richter ist vollkommen korrupt. Es ist ihm nicht nur völlig egal, was andere über ihn denken. Da könnte man noch sagen, eine gewisse Unabhängigkeit wäre für einen Richter ja von Vorteil. Nein, dieser Richter ist ein Zerrbild, ein echter Bösewicht, ein Beispiel, wie es auf keinen Fall sein darf!

Er versagt offensichtlich auf allen Ebenen: Erstens: Er hat keinen Gottesbezug. Das heißt, er ignoriert auch die Vorgaben der Schrift im Blick auf seine Tätigkeit! Das wäre, wie wenn ein Verfassungsrichter sagen würde: „Mir sind das Grundgesetz und die Demokratie egal." Dieser Richter ignoriert zweitens die schriftlichen Grundlagen und Wertvorstellungen seines Dienstes. Als drittes scheint er zudem kein Menschenfreund zu sein, er nimmt keine Rücksicht auf irgendjemanden. Andere Übersetzung benennen das noch drastischer: Er verachtet die Menschen (Gute Nachricht), er scheute sich nicht (Luther), möglich ist auch: Er hatte keinen Respekt. Schlimmer kann es nicht kommen. Wenn ein Richter sich so gebärden kann, dann ist das gesamte Rechtssystem einer Gesellschaft entweder bereits zerstört oder immerhin gefährdet.

Recht wird so nicht gesprochen. Soziale Gerechtigkeit ist ein Fremdwort. Es ist also völlig klar, was geschieht: Die Armen, Witwen und Waisen und die Fremden - alle, die eben „bedürftig" und auf die Solidarität und Unterstützung der Gemeinschaft angewiesen sind - haben keine Fürsprecher. Wenn sie für ihr Recht kämpfen wollen und nicht resigniert aufgeben, brauchen sie einerseits Verbündete und zweitens einen guten Plan.

In dieser Situation hilft beten, um die eigenen Kräfte zu sammeln. Und es ist notwendig zu handeln und evtl. auch, sich Verbündete zu suchen! Im nächsten Vers des Evangeliums erscheint eine unglaublich starke Frau. Sie wird es sein, die eine Veränderung bewirkt! Ihr Handeln, ihr Mut, ihre Unerschrockenheit verändern vielleicht nicht die innere Einstellung, aber immerhin die Taten des ungerechten Richters. Sie bekommt Recht. Sie wird zum Vorbild! So verändert sich alles! Wie ist das möglich geworden und woher hat die Frau ihre Kraft?

Diese Witwe ist sehr mutig und ausdauernd. Immer wieder, so heißt es, bringt sie ihr Anliegen vor. Dabei überschreitet sie auf den ersten Blick auch das, was man so „den guten und angemessenen Ton" nennt. Der Richter engagiert sich schließlich für ihr Anliegen, nicht weil er Einsicht, Mitleid oder Sinn für Gerechtigkeit hätte, sondern weil er Angst hat. Angst, dass ihm die Frau die Augen auskratzt bzw. ihm ein blaues Auge verpasst (so ganz wörtlich). Ob das realistisch ist, sei dahingestellt. Im Gleichnis wirkt diese Sorge immerhin verändernd.

Dazu kommt, dass die Witwe ihm „Mühe macht", ihre ständige Präsenz nervt ihn, erschöpft vielleicht seine Widerstandskraft. Interessant finde ich, dass die starke Witwe sehr berühmte biblische Schwestern in der alttestamentlichen Tradition hat. Frauen, die unerschrocken und mit Klugheit ihre schwache Position überwinden wie Tamar, Judith, Ruth, und viele andere. Auch die frühchristliche Tradition kennt Witwen als sehr eigenständige und religiös aktive Gruppe, die sogar prophetisch redet.

Ich würde auch dieser Witwe bei Lukas durchaus prophetisches Wirken zuschreiben. Sie tut, was der Auftrag der Prophetie ist: die Herrschenden auf ungerechte und gotteslästerliche Zustände aufmerksam zu machen! Müssten wir das als Christen nicht auch heute tun... - siehe synodaler Weg...

Die starke Witwe des Gleichnisses bekommt Recht. Darin liegt die Pointe. Die Gerechtigkeit wird sich durchsetzen, das Reich Gottes ist im Kommen. Das Vertrauen darauf nicht zu verlieren, dazu hat Lukas seinen Rahmen ergänzt und den Hinweis auf das Gebet und das Kommen den Messias. Wenn Lukas noch vor dem Gleichnis auf die Notwendigkeit des Gebetes verweist, so darf man ihm sicher nicht unterstellen, dass er davon ausgeht, dass mit Beten allein die Welt verändert wird oder dass die Auserwählten einfach still abwarten sollten. Im Gegenteil: Lukas ruft zum Reden und Tun auf. Das Gebet weist die Richtung dazu. Wer die prophetischen Bücher der Schrift liest, wird einen klaren Blick auf die Welt erhalten. Sicher liegt das letzte Urteil bei Gott. Jetzt aber ist jede und jeder aufgerufen, sich die Witwe zum Vorbild zu nehmen. Mutig zu sein und den Finger in die Wunden unserer Gemeinschaft zu legen.

Pastor Klaus Koltermann

Einleitung Bitten

Jesus lädt uns ein, Gott sozusagen lästig zu fallen mit unserem Gebet.

Lassen wir uns so ermutigen und beten für die Menschen und für diese Welt!

Bitten

1. Wir beten für Kinder, Frauen und Männer in der Ukraine;
für alle, die wieder in Angst vor Raketen und Bomben leben müssen.
Für die vielen auf der Flucht,
für alle, die im Land bleiben oder sogar in die Heimat zurückkehren.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

2. Für alle, die unter neuen Naturkatastrophen leiden –
jetzt wieder unter Wasserfluten in Australien, in Afrika und Südamerika.
Und für Männer und Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik,
die das Welt-Klima und Gottes Schöpfung
vor der Zerstörung durch die Menschen retten wollen.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

3. Wir beten für alle, die Beratung und Hilfe suchen
und dabei Gewalt und Macht-Missbrauch erleiden oder erlitten haben.
Und für die Verantwortlichen,
die Prävention und Schutz für alle verbessern.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

4. Für alle, die sich auf die neue Corona-Welle vorbereiten,
die sich und andere vor Infektion und Krankheit zu schützen versuchen;
und für die Patientinnen und Patienten, die unter Long-Covid leiden
und kaum wieder ins normale Leben zurückkommen.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

5. Wir beten für alle, die einen kalten Winter mit zu wenig Heizenergie fürchten;
für die vielen, die sich und ihren Verbrauch freiwillig einschränken.
Für Frauen und Männer in der Politik,
die die notwendigen Entscheidungen treffen und verständlich machen wollen.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

6. Für immer mehr Menschen, denen schon jetzt das Nötigste fehlt,
und für alle, die ihnen helfen - in Ämtern und sozialen Einrichtungen,
bei den Tafeln und einfach in der Nachbarschaft.
- kurze Stille - V: Gerechter Gott A: Wir bitten dich, erhöre uns

Abschluss-Gebet

Gerechter Gott,

du kennst die Not der Menschen und der Schöpfung.

Dir dürfen wir vertrauen, dass du unsere Bitten hörst

und auch das Unausgesprochene annimmst.

Wir loben dich und danken dir –

heute und morgen und bis in deine Ewigkeit. Amen

Quelle Bistum Trier

14.10.2022

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