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Gemeindebrief zum 23.10.2022 - 30. Sonntag im Jahreskreis

Einführung:

Liebe Leserin, lieber Leser,

lesen Sie auch gelegentlich Heiratsannoncen?
Da gibt es nur ideale Menschen, egal in welchem Alter.
Sie rauchen nicht und trinken nicht, sie sind häuslich und sportlich dynamisch, naturverbunden und selbstverständlich gutaussehend und vielfältig interessiert.
Auch bei Jubiläen und Verabschiedungen reibt man sich manchmal die Augen:
weil man bis dato nicht so recht erkannte, von welch idealen Menschen man umgeben war. Man muss sich gut verkaufen und darstellen, um mitspielen und bestehen zu können.

Sie können ein noch so guter Mensch sein, wenn Sie sich nicht gut präsentieren, werden Sie oft nicht wahrgenommen.
Um dieses Thema geht es auch im heutigen Evangelium,
doch Jesus hat da einen ganz anderen Blick darauf.

Hildegard Ziemons
Mitglied der Pfarrbriefredaktion und bei Maria 2.0
Mail: pgr@dormagennord.de

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, 1. Lesung: Sir 35,15b-17.20-22a

Der Herr ist Richter und es gibt vor ihm kein Ansehen der Person.
Er bevorzugt niemanden gegenüber einem Armen,
die Bitte eines ungerecht Behandelten wird er erhören.
Er missachtet nicht den Hilferuf der Waise
und die Witwe, wenn sie ihren Jammer ausschüttet.
Wer Gott wohlgefällig dient,
wird angenommen und seine Bitte dringt bis in die Wolken.
Das Gebet eines Demütigen durchdringt die Wolken und bevor es nicht angekommen ist, wird er nicht getröstet und er lässt nicht nach, bis der Höchste darauf schaut.
Und er wird für die Gerechten entscheiden und ein Urteil fällen.

Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an Timotheus, 2. Lesung: 2 Tim 4,6-8.16-18

Mein Sohn!
Ich werde schon geopfert und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe.
Ich habe den guten Kampf gekämpft den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.
Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit,
den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird,
aber nicht nur mir, sondern allen, die sein Erscheinen ersehnen.
Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten;
alle haben mich im Stich gelassen.
Möge es ihnen nicht angerechnet werden.
Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft,
damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören;
und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen.
Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen
und retten in sein himmlisches Reich.
Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas, Lk 18,9-14

In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis:
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten;
der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet:
Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin,
die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete:
Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht.
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Gedanken zum Evangelium

Für uns heute klingt „Pharisäer" wie ein Schimpfwort. Damals war es ein Ehrenname.
Pharisäer waren zur Zeit Jesu von vielen geachtete Menschen.
Religiöse Vorbilder, gebildet, des Lesens und Schreibens mächtig.
Sie waren sehr fromm, sie nahmen ihren Glauben wirklich ernst. Ja, sie taten mehr als sie mussten, sie fasteten und gaben den zehnten Teil ihres Einkommens ab.
Wie anders sähe unsere Welt aus, gäbe es mehr solcher Menschen, die den Zehnten ihres Verdienstes abgeben...
Pharisäer galten als Inbegriff der vollkommenen Hingabe an Gottes Gebote.

Zöllner dagegen waren fragwürdige Gestalten. Sie übten einen anrüchigen Beruf aus, weil sie mit der römischen Besatzungsmacht zusammenarbeiteten, vor allem aber, weil sie das Volk ausbeuteten und erheblich in die eigene Tasche wirtschafteten und dabei oft sehr reich wurden. Eben darum wurden sie von allen gehasst und verachtet.

Der Pharisäer, von dem Jesus erzählt, bedankt sich dafür, dass er ist, wie er ist. Das wäre doch was, wenn Menschen aus vollstem Herzen Gott danken könnten für das, was sie sind.
Aber genau das kann dieser Pharisäer offensichtlich nicht.
Er bedankt sich dafür, was oder wer er nicht ist: nicht einer der anderen, nicht einer der Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch nicht der Zöllner da hinten.
Es scheint, dass er die anderen braucht, um sich selbst darzustellen;
indem er sich von ihnen abgrenzt, sie klein macht, glaubt er sich selbst groß.

Trotzdem sei die Frage erlaubt: Warum kommt der Pharisäer in der Geschichte besser weg als der Zöllner, der doch nun eigentlich viel mehr auf dem Kerbholz hat und den niemand mag?

Man kann dem Pharisäer nichts vorwerfen und er selber hat sich auch nichts vorzu-werfen. Er fühlt sich frei von Schuld. Und ohne Zweifel hat er beachtliche Leistungen vorzuweisen.
Doch, in dem Gleichnis wird der Pharisäer auch gar nicht wegen seiner guten Werke getadelt. Jesus missachtet ihn nicht wegen seines einwandfreien und korrekten Le-benswandels. Jesus beschönigt auch nicht das betrügerische Verhalten des Zöllners.
Er billigt keineswegs dessen Weise, Geld zu machen.

Jesus geht es um die rechte Haltung vor Gott.
Der Pharisäer dankt zwar Gott und kreist doch nur um sich selbst. Er tritt vor Gott hin und sagt im Grunde: „Schau her, ich brauche dich nicht, ich bin perfekt."

Der Zöllner dagegen tritt vor Gott hin mit leeren Händen. Er bildet sich nichts ein, er verurteilt niemanden, sondern er erkennt seine Armseligkeit und bekennt seine Schuld demütig vor Gott, indem er ihn einfach um Verzeihung bittet.
Reumütig schlägt er an seine Brust und bittet Gott um sein Erbarmen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!" Er ist ehrlich zu sich und zu Gott. Er braucht seine Hilfe, seine Liebe und seine Barmherzigkeit. Und er tut das einzig Notwendige: er bittet darum.

Gott wartet darauf, geben zu können, was wir uns nicht selbst geben können, seine Barmherzigkeit und seine Gerechtigkeit. Der Zöllner ist dafür bereit.
Deshalb kommt er in dieser Geschichte besser weg als der Pharisäer.

Könnte es sein, dass Gott auch uns nach der Gnade beurteilt, die wir erbeten und an-genommen haben und weniger nach dem Leistungskatalog, den wir ihm präsentieren möchten?
Wenn es so ist, dann können wir ehrlicher auf uns selbst und auf andere schauen.
Mit einer Ehrlichkeit, die nicht fertig macht, abstempelt und ausschließt.
Mit einer Ehrlichkeit, die in humorvoller Demut um alle Unvollkommenheiten weiß,
sie Gott anvertraut und in der Hoffnung bleibt, dass Gott uns nicht aufgibt.
Er braucht nicht unsere Perfektion, sondern unsere Liebe.

Fürbitten

Einleitung

Gott, du unser Vater und unsere Mutter, wir können dich um alles bitten.
Du wartest darauf, geben zu können, was wir uns selbst nicht geben können.
Darum bringen wir unsere Bitten vor dich:

1. Wir beten für die Kirche, die in einer schweren Krise steckt;
für alle Priester und Bischöfe, die um gute Lösungen ringen;
für alle Menschen, die nicht mehr glauben können;
- kurze Stille - V: Du Gott der Weisheit A: Wir bitten dich, erhöre uns

2. Wir beten für alle Verantwortlichen in Deutschland und auf der ganzen Erde;
für alle, die schwere Entscheidungen treffen müssen;
für alle, die an ihren Aufgaben scheitern;
- kurze Stille - V: Du Gott der Gerechtigkeit A: Wir bitten dich, erhöre uns

3. Wir beten für alle Menschen, die Not leiden müssen;
für alle, die in Kriegsgebieten wohnen und alle, die fliehen müssen;
für alle, die von ihren Familien getrennt sind oder Menschen verloren haben;
- kurze Stille - V: Du Gott des Friedens A: Wir bitten dich, erhöre uns

4. Wir beten für alle Menschen in unseren Gemeinden;
für alle, die sich vor einem kalten Winter fürchten;
für alle, die bedürftigen Menschen Wärme bringen;
- kurze Stille - V: Du Gott der Liebe A: Wir bitten dich, erhöre uns

Abschluss

Du weiser, gerechter und friedliebender Gott,
du kennst unsere Sorgen und Nöte.
Du kennst auch die Bitten, die hier nicht ausgesprochen wurden.
Nimm an unser Gebet. Amen.

21.10.2022

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