zurück

140. Gemeindebrief: 26.03.2023

Manchmal kommt etwas zu spät, die Bahn, eine Antwort, eine Erkenntnis…
Auch Jesus kommt zu spät. Vier Tage liegt sein Freund Lazarus schon im Grab: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“
Diesen Vorwurf muss sich Jesus gefallen lassen.

Doch der Geist Jesu, seine Lebenskraft, sein Mut und die Liebe zu den Menschen schaffen die Wende und wecken neuen Lebensmut.

Am heutigen 5. Fastensonntag versuchen die Mitglieder der Rom-Pilgergruppe, diesen Mut und die Lebenskraft in ihren Statements und Erfahrungen nach der Pilgertour deutlich zu machen.

Sie sind weiterhin auf dem Weg.

Hildegard Ziemons

Mitglied der Pfarrbriefredaktion und bei Maria 2.0
œMail: pgr@dormagennord.de

 

Erste Lesung Ez 37, 12b–14

Lesung aus dem Buch Ezéchiel.

So spricht Gott, der Herr: Siehe, ich öffne eure Gräber

und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf.

Ich bringe euch zum Ackerboden Israels.

Und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin,

wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole.

Ich gebe meinen Geist in euch, dann werdet ihr lebendig

und ich versetze euch wieder auf euren Ackerboden.

Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin.

Ich habe gesprochen und ich führe es aus – Spruch des Herrn.

Zweite Lesung Röm 8, 8–11

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.

Schwestern und Brüder!

Wer aber vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen.

Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt,

da ja der Geist Gottes in euch wohnt.

Wer aber den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm.

Wenn aber Christus in euch ist,
dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde,

der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit.

Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt,
der Jesus von den Toten auferweckt hat,

dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat,

auch eure sterblichen Leiber lebendig machen,
durch seinen Geist, der in euch wohnt.

Evangelium Joh 11

In jener Zeit war ein Mann krank, Lazarus aus Bethanien, dem Dorf, in dem er mit seinen Schwestern Maria und Marta wohnte. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, dein Freund ist krank. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen, denn Bethanien liegt in Judäa, nahe bei Jerusalem. Als Jesus ankam, war Lazarus schon vier Tage tot.

Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.

Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Jesus sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!

Marta ging weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Sie fiel ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.

Als Jesus sah, wie sie weinte, da weinte er auch.  Dann ging er zum Grab und rief mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden, und lasst ihn weggehen!

(Kurzfassung, adaptiert von Annette Jantzen
https://www.bistum-aachen.de/Frauenseelsorge)

Gedanken zum Evangelium

Zwei Sätze fallen mir beim Lesen dieses Evangeliums auf: „Herr, komm und sieh!“ Und eine zweite Aufforderung: „Komm heraus!“

Es sind die Schlüsselworte in dieser Geschichte von der Erweckung des Lazarus und auch für uns in den manchmal ausweglosen Situationen unseres Lebens.

Herr, komm und sieh – so oft geschieht etwas, wo ich diese Bitte oder diesen Hilferuf äußern möchte: Herr, sieh dir an, was hier geschehen ist, in welches Unglück wir geraten sind, was hier zugrunde geht … Komm und sieh es dir an, tu etwas, hilf mir …

Komm heraus – ist seine Antwort. Komm, ich helfe dir, ich reiche dir meine Hand, ich hole dich heraus, ich rufe dich ins Leben …

Im letzten Jahr hat sich unsere Pilgergruppe auf den weiten und mühsamen Weg nach Rom gemacht, um Antworten auf quälende Fragen zu erhalten: Herr, komm und sieh,

  • was in deiner Kirche geschehen ist
  • wie deine Vertreter auf Erden mit Macht umgehen
  • wie sie die Frauen ignorieren
  • wie Menschen diskriminiert werden …

Seit der Pilgerreise ist nun fast ein Jahr vergangen. Wir wollen uns heute anschauen, was nach 10 Monaten aus den Fragen, die wir damals in Rom hatten, geworden ist:

Claudia, ihr habt bei der Ankunft in Rom ein Statement abgegeben.
Was hast du damals empfunden?

Claudia: Gedanklich beschäftigt mich die Situation der katholischen Kirche. Veränderungen sind notwendig, damit sie weiter existieren kann.
Um Veränderungen zu bewirken, muss ich mich selber in Bewegung setzen.
Ein langer Pilgerweg ist die Gelegenheit dazu.
Den Pilgerweg setze ich gleich mit dem Weg der Veränderung - mal mühsam, mal leicht.
Der gesamte Weg ist ein erster Schritt, die nächsten Schritte müssen folgen.
Es geht darum, die Aufmerksamkeit für die Themen der Zeit in der Kirche aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel durch Mitwirken in der Gemeinde oder durch den Einsatz für Betroffene von Gewalt.
Es braucht die eigene Kraft und Zeit sich zu engagieren.

In diesem Jahr nach unserem Pilgerweg hat sich (für mich) vertiefend bestätigt, wie motivierend und stärkend die Gemeinschaft für das Weiterkommen ist. Ebenso wie auf dem Pilgerweg nach Rom.

Wie ist es Dir ergangen, Ralph?

Ralph: In Rom habe ich gesagt, dass unser Glaube die Kraftquelle unseres Lebens sein kann. Damit dies auch in unseren Gottesdiensten spürbarer wird, wünsche ich mir zum Beispiel mehr Predigten von Frauen, mehr Beteiligungsmöglichkeiten von Laien oder auch Glaubensfeiern außerhalb der Kirchenmauern.

Heute sehe ich, dass es in unseren Gemeinden tatsächlich immer mehr Gottesdienste gibt, die von Laien gestaltet werden. Hierzu zählen zum Beispiel die Messen und Andachten von Maria 2.0, die Segnungsgottesdienste für alle Liebenden oder die Familienmessen. Ganz besonders freue ich mich auf die Osternacht in Gohr, die diesmal von einer Gruppe engagierter Gemeindemitglieder vorbereitet wird.
Ich hoffe, dass diese Entwicklung weitergeht und wir so auch zukünftig immer mehr Glaubensfeiern haben werden, in denen alle gleichberechtigt mitwirken können.

Andrea, hat sich für Dich inzwischen etwas verändert?

Andrea: Wasser ist Grundlage allen Lebens. Wasser bedeutet Leben für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Mit Wasser wurde ich als Kind getauft und in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Es ist ein Symbol für Neubeginn und dient mir als Kraftquelle auf meinem Glaubensweg. Mit der Taufe fühle ich mich als gleichwertiger Christ in der Nachfolge Jesus Christus, egal welcher Mensch ich bin, woher ich als Mensch komme, welches Geschlecht ich habe oder wie ich meinen Lebensweg gestalte.
Dies waren meine Gedanken im Statement auf dem Pilgerweg nach Rom vor ca. 1 Jahr.

In dieser Zeit hat sich durch meine immer intensivere, kritischere und hinterfragende Auseinandersetzung mit meinem Glauben und der Institution Kirche einiges in mir verändert.  Viele Enttäuschungen, was Veränderungen und Bewegung in der katholischen Kirche betrifft, erfahre ich. Der Synodale Weg in Deutschland, vertreten durch Kleriker und Laien versucht notwendige, lebensnahe Reformen anzustoßen und erfährt dabei immer wieder die Machtstrukturen der katholischen Kirche.
Dennoch möchte ich in meiner Glaubensgemeinschaft bleiben. Sie und viele andere Menschen sind Kraftquellen in meinem Glauben.

Uka, welche Gedanken hattest du auf deinem Pilgerweg?

Uka: Zum Abschluss des atemberaubenden Experiments empfand ich große Dankbarkeit, dass ich Teil davon sein durfte, dass ich viel Neues, Schönes, Ermutigendes erlebt habe.
Ich nahm aus den damaligen Begegnungen, Gedanken und dem Pfingstfest folgende Überzeugungen mit:
nicht warten, nicht fragen, handeln! Der Geist ist da und er ermutigt uns.

Deshalb forderte ich: Transparenz, Aufklärung, Wiedergutmachung sowie den Beitritt der katholischen Kirche zur Menschenrechtskonvention; denn dadurch verbietet sich endgültig, vor aller Welt, jede Art von Ausgrenzung aufgrund von Geschlecht, sexueller Ausrichtung oder religiöser Überzeugung.

Heute ergänze ich: Erste kleine Schritte wie z.B. bzgl. des Dienstrechts für Angestellte der Kirche sind getan. Nun gilt es, daraus Hoffnung zu schöpfen und weitere Schritte durchzusetzen.
Die Amtskirche ermöglicht mir z.Z., mit ca. 40 weiteren Personen eine Ausbildung zu Leitenden von Wortgottesfeiern zu durchlaufen.
Auch daraus schöpfe ich Hoffnung auf weitere Entwicklungsschritte hin zu einer modernen, aufgeschlossenen Kirche, die nah bei den Menschen ist.

Regina, was hat Dich letztes Pfingsten bewegt und denkst Du jetzt?

Regina: Mein Fazit des Pilgerweges habe ich auf dem Campo de‘ Fiori in Rom gezogen, vor der Statue von Giordano Bruno, einem italienischen Priester, Dichter und Mönch, der 1600 als Ketzer zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und verbrannt wurde.
Am 12. März 2000 erklärte Papst Johannes Paul II., diese Hinrichtung sei nunmehr auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten.

Mich hat unterwegs die Planung des Weges sehr beschäftigt. Ungefähr 300 km wurden zu Fuß bewältigt und unser Tagesziel immer erreicht. Ich wünschte mir damals zum Abschluss, dass sich viele mutig mit uns auf den Weg machen und mit Veränderungen in der Kirche, konkret in unseren Gemeinden beginnen würden.

Seit ich aus Rom zurückgekehrt bin habe ich versucht, den Pilgerweg weiterzugehen. Für mich heißt das
- die Augen offenzuhalten für Unrecht, das auch heute im Namen der Kirche geschieht und mich dagegen zu positionieren
- die Sinne offenzuhalten für die Bewahrung von Gottes Schöpfung, damit die Menschen auch in Zukunft auf schönen Pilgerwegen wandern können
- mich weiterhin in unserem Seelsorgebereich zu engagieren und zu versuchen, die beim synodalen Weg geforderten Veränderungen vor Ort anzupacken.

Hildegard, mit welchen Gedanken blickst du zurück?

Hildegard: Leider konnte ich die Pilgergruppe nur 3 Tage begleiten, aber auch in dieser kurzen Zeit habe ich nachhaltige Begegnungen und Erlebnisse gehabt. Bei den Treffen mit Schwester Philippa Rath im Kloster Eibingen und mit Schwester Katharina Ganz im Kloster Oberzell habe ich 2 Kirchenfrauen kennen gelernt, die sich berufen fühlen und bei aller Verbundenheit mit Gott und ihrem klösterlichen Leben an dieser katholischen Kirche leiden.   Mutig und selbstbewusst prangern sie die Missstände an und zeigen am Beispiel ihrer Ordensorganisation, wie eine demokratische Kirche funktionieren könnte.

In den letzten Monaten habe ich das Wirken der beiden Ordensfrauen verfolgt, vor allem beim Synodalen Weg. Vom Ergebnis waren beide am Ende enttäuscht. Sr. Philippa Rath stellt fest, dass „wir gerade in der Frage des Zugangs der Frauen zu allen Ämtern der Kirche hinter den Erwartungen und Hoffnungen vieler zurückbleiben. Die Interventionen aus Rom haben ihre Wirkung entfaltet und offenbar nicht wenige Amtsträger verunsichert. Angesichts dessen heißt es nun: unbeirrt weitermachen, die Themen immer wieder neu auf den Tisch legen, theologisch-argumentative Überzeugungsarbeit leisten - hier und vor allem auch auf der weltkirchlichen Ebene.“
Auch ich möchte auf diesem Weg weitergehen.

Fürbitten

Einleitung:

Jesus sagt: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworten: Herr, komm und sieh!
Jesus kennt auch unsere Trauer und unser Leid, unsere Sorgen und Fragen.
Wir dürfen ihn immer wieder bitten: Herr, komm und sieh!

  1. In der Taufe erfahre ich die Liebe und den Schutz Gottes.
    Getaufte sind beauftragt nach dem Vorbild Jesu und dem, was er gesagt hat, zu leben.
    Wir bitten für alle Menschen, die sich taufen lassen.
    Alle: Herr, komm und sieh.
  2. Sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Vertrauensverluste und lebensfernes Verhalten der Kirchen, all dies sind Gründe, warum Menschen sich nicht mehr taufen lassen.

Wir bitten für alle Menschen, die sich nicht mehr taufen lassen.
Alle: Herr, komm und sieh.

 

  1. Viele Menschen treten für zeitgemäße Anpassungen und notwendige Veränderungen ein.

Wir bitten um Stärke in ihrem Bestreben, damit die katholische Kirche Heimat für alle in ihrem Glauben bleibt.
Alle: Herr, komm und sieh.

 

  1. Beim Synodalen Weg gab es viele Enttäuschungen und zerstörte Hoffnungen.

Wir bitten für alle Menschen, die sich weiterhin mit großer Kompromissbereitschaft für Erneuerung und Gleichberechtigung in der katholischen Kirche einsetzen.
Alle: Herr, komm und sieh

 

  1. Es braucht offene Augen, um Missbrauch und Unrecht in der Kirche zu sehen. 
    Wir bitten für alle, die mutig gegen Missstände aufstehen.
    Alle: Herr, komm und sieh.
  2. Kinder sind vollwertige Wesen.

Wir bitten um mehr Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte für Kinder und Jugendliche in Kirche und Gesellschaft.
Alle: Herr, komm und sieh.

Abschluss-Gebet

Guter Gott, du siehst unsere Not, du hörst unsere Bitten und du holst uns heraus aus Trauer, Sorgen und Ungerechtigkeit.
Dafür danken wir dir durch Christus unseren Bruder und unsere Schwester. Amen.

24.03.2023

drucken | zurück