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Gemeindebrief zu Pfingsten, 28.05.2023

Woran denken Sie beim Wort »Mauer«?

Vielleicht an die Berliner Mauer,
die jahrzehntelang das Leben in Deutschland geprägt hat?
Oder an die große chinesische Mauer?
An die historischen Stadtmauern in vielen Städten?
An die Klagemauer in Jerusalem?
Oder vielleicht auch an das Kommunikationsklima in Ihren Beziehungen?

Menschen bauen ganz reale Mauern, um sich vor Feinden zu schützen oder um sich abzugrenzen - und damit einzusperren.
Und das gilt auch für die unsichtbaren Mauern zwischen Menschen.
Sie möchten nicht mehr von außen verletzt werden. Also legen sich Menschen ein dickes Fell zu, um Angriffe oder mögliche Verletzungen abprallen zu lassen.

Mit manchen inneren Mauern wollen die Menschen verhindern, sich wirklich zu zeigen. Sie schämen sich dafür wie sie sind. Oft haben sie in der Kindheit gelernt, dass sie, so wie sie sind, nicht in Ordnung sind. Um keine Ablehnung zu erfahren, zeigen sie sich nicht. Hinter ihren inneren Mauern verstecken sie sich und ihre Potenziale.

Auch die Jünger hatten sich eingesperrt – innerlich wie auch ganz real in einem Haus in Jerusalem. „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.“ Die Mauern der Jünger   wurden aufgebrochen. Der Heiligen Geist erfüllte sie und sie konnten sich wieder befreit ihren Mitmenschen zuwenden.

Was für herrlicher, fröhlicher Moment! Auch für uns, die wir auch immer wieder durch den Heiligen Geist uns befreien lassen können, wenn wir es denn wollen!

Birgit Linz-Radermacher
Vorsitzende des Pfarrgemeinderates
Mail: pgr@dormagennord.de

Wir beginnen diesen wunderbaren Festtag
im Namen Gottes, der uns seinen Sohn geschenkt hat,
im Namen Jesu, der mit seiner Auferstehung den Tod durchbrochen hat,
im Namen der Heiligen Geisteskraft, die unsere inneren Mauern durchbricht, damit wir befreit jubeln, feiern und danken können!  Amen.

Kyrie

Wir wollen uns besinnen und in Stille auf uns schauen.
Welche Mauern habe ich aufgebaut?
Aus welchen Gründen sind meine Mauern entstanden?
Wo will ich mich besonders abgrenzen?
Haben diese Mauern wirklich einen Sinn für mich?
Oder können wir nicht Löcher schlagen oder sie sogar ganz einreißen?

Wir wollen Gott, unseren Vater und unsere Mutter, bitten,
uns beim Abbau unserer Mauern zu unterstützen.

Hilf uns, dass wir die Steine der Vereinsamung,
der offenen und versteckten Ablehnung wegnehmen können.
Herr, sende aus deinen Geist und mach uns neu.

Hilf uns, dass wir die Steine der Scham und der Unsicherheit abbauen können.
Herr, sende aus deinen Geist und mach uns neu.

Hilf uns, dass wir die Steine der Missachtung
und des Desinteresses abbrechen können.
Herr, sende aus deinen Geist und mach uns neu.

Gott, hilf uns, dass wir uns nicht weiter selbst und nicht gegenseitig einmauern,
sondern unsere Mauern immer wieder aufbrechen,
damit unsere Liebe sichtbar und erlebbar bleibt. Amen.

Lesung aus der Apostelgeschichte. Apg 2,1-11

Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.

Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?

Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamíter, Bewohner von Mesopotámien, Judäa und Kappadókien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrýgien und Pamphýlien, von Ägypten und dem Gebiet Líbyens nach Kyréne hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselýten, Kreter und Áraber – wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.

Wort des lebendigen Gottes für uns.
Dank sei Gott.

Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen GL 832

Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen
und neu beginnen, ganz neu.
Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken
und neu beginnen, ganz neu.
Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden
und neu beginnen, ganz neu.
Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Text: Thomas Laubach 1989 Musik: Christoph Lehmann 1989

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth. 1 Kor 12,3b-7.12-13

Schwestern und Brüder!

Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.
Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist.
Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn.
Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott:
Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt,
damit sie anderen nützt.
Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen,
dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will. Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.

Wort des lebendigen Gottes für uns.
Dank sei Gott.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes. Joh 20,19-23

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen:
Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Evangelium unseren Herrn Jesus Christus.
Lob sei dir Christus.

Ansprache

In Vorbereitung auf diesen Gottesdienst habe ich in der Runde mit „meinen“ Seniorinnen und Senioren in der Tagespflege über Mauern gesprochen.

Natürlich kam zuerst bei vielen der Gedanke an die Berliner Mauer, den Bau und die Auswirkungen auf die Menschen in ganz Deutschland. Und auch der Fall der Mauer war allen noch gut im Gedächtnis. Die chinesische Mauer fiel einigen ein. Einer konnte sogar von seinem Besuch dort erzählen. Die Klagemauer in Jerusalem wurde besprochen.

Und auch ganz persönliche Mauern wurden angesprochen: die, die ein Mann ganz alleine hochgezogen hat, um eine Garage zu bauen, obwohl er kein Maurer war und auf die er gerade deshalb sehr stolz war, weil sie auch heute noch steht „und nicht wackelt“, wie er betonte.

Und während wir alle noch über Mauerrisse und Löcher in Mauern sprachen, saß eine Dame still auf ihrem Platz und suchte etwas in ihrer Handtasche. Das war nichts besonders, denn die Dame ist dement und lebt oft in ihrer eigenen Welt und beschäftigt sich dann mit sich selber.

Aber plötzlich stand sie auf, kam zu mir und zeigte mir ein Foto, welches sie in der Handtasche gesucht hatte.

Es war ein Bild von ihrer Goldhochzeit, das sie und ihren Mann abbildete.
Aber es war kein fröhliches Bild, denn beide sahen sehr ernst aus.

Die Dame kann sich sprachlich nicht mehr gut ausdrücken, aber sie deutete auf das Bild und malte mit dem Finger einen Strich zwischen sich und ihren Mann. Immer wieder und sehr ärgerlich und sie begann zu weinen.

Als ich sie fragte: War da eine Mauer zwischen ihnen und ihrem Mann?, nickte sie und schien befreit, dass es ausgesprochen worden war.

Wir saßen alle eine Weile schweigend da. Zwei Mitgäste standen auf, nahmen die Frau in den Arm und weinten mit ihr. Es war eine zutiefst berührende Szene.

Im Nachgang dieser Szene habe ich mit der Tochter gesprochen und sie berichtete mir, dass die Mutter nach der Geburt des dritten Kindes aus unerklärlichen Gründen, eine Mauer zwischen sich und ihren Mann aufgebaut hatte. Eine Mauer, über die nie gesprochen wurde, die bis zu seinem Tod nicht aufgebrochen wurde. Eine Mauer, die nicht nur das Eheleben beeinflusst hat, sondern das ganze Familienleben, ja teilweise sogar die Beziehungen der Eheleute mit den Menschen in ihrem Umfeld.

Warum ich das so ausführlich erzähle?

Wenn eine an Demenz erkrankte Frau, die sonst nur wenig am Alltag teilnehmen kann, sich plötzlich so intensiv bei einem Thema einbringen kann, dann muss das ein großer innerer Druck gewesen sein, den diese Frau ihr Leben mit sich getragen hat, dass sie sich nun in ihrer Demenz so erinnert und es so ausdrücken kann.

Es hat mit sehr deutlich vor Augen geführt, was eine solche innere Mauer mit einem Menschen macht. Mit der Paarbeziehung, dem Familienleben, dem ganzen menschlichen Miteinander.

Und wie wichtig es ist, diese inneren Mauern aufzubrechen und aus dem eigenen Gefängnis auszubrechen.

Jede Art von innerer Mauer begrenzt mein Leben. Mir aber einzugestehen, dass es von mir selber errichtete Mauern in meinem Leben gibt, ist der erste Schritt, sie abzutragen. Wenn ich erkannt habe, dass ich mich selber begrenze, habe ich mich in dem Moment ermächtigt, die Mauern auch wieder einzureißen. Und dann sollte ich es auch tun!

Und wir wissen, dass wir das nicht allein tun müssen. Wir können auf Gottes Hilfe vertrauen, wir können darauf vertrauen, dass Er an unserer Seite ist und uns nicht alleine lässt.

Wir haben vor einigen Wochen Ostern gefeiert, an diesem Wochenende feiern wir Pfingsten. Das sind die Feste, an denen wir ganz konkret erleben, dass Gott Mauern aufbricht.

Jesus hat mit seiner Auferstehung die Mauer des Todes durchbrochen. Wir sehen es an der Osterkerze. Und an Pfingsten feiern wir die Heilige Geisteskraft, die durch die Mauern hindurch die Jünger erfasst hat.

Die Jünger hatten sich eingesperrt - innerlich wie auch ganz real in einem Haus in Jerusalem. „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.“ Die Mauern der Jünger wurden aufgebrochen. Der Heilige Geist erfüllte sie und sie konnten sich wieder befreit ihren Mitmenschen zuwenden.

Mit dieser Gotteskraft können auch wir unsere Mauern durchbrechen!

Auch die Mauern, die wir nicht selber bauen, die aber von anderen Menschen um uns herum aufgebaut werden.

Die Kirche hat Mauern aufgebaut. Vielleicht um sich zu schützen, aber ganz sicher um ihre Macht zu demonstrieren und zu erhalten. Mauern, die Menschen nicht nur verletzen, sondern sie ausgrenzen.

Aber die Menschen, die kirchlich gesehen nicht nach Gottes Plan sind, haben angefangen sich zu wehren und haben Löcher in die Mauer geschlagen. Vor einem Jahr haben sich Menschen geoutet und damit einen Prozess in Gang gebracht, der die Mauern nicht nur ins Wanken, sondern wirklich zum Einstürzen gebracht haben. Diese mutigen Menschen haben es durch ihr Aufbrechen schafft, dass das kirchliche Arbeitsrecht geändert wurde. Was für ein Erfolg!

Die Mitglieder des synodalen Weges haben das Thema ausführlich diskutiert und sich auch für umfassende Segensfeiern entschieden und vor einigen Tagen hat die Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung die ersten zwei liturgischen Entwürfe für Segensfeiern veröffentlicht. Ein Durchbruch!

Es bleibt sicher noch viel zu tun, denn auch wenn das Arbeitsrecht nun geändert ist, die Mauer in den Köpfen von vielen Bischöfen, anderen Amtsträgern und auch manchen Kirchenmitgliedern ist noch nicht aufgebrochen. Aber es sind Risse und Löcher entstanden.

Am vergangenen Sonntag lief im Fernsehen die Nachbetrachtung der ersten Sendung, in der sich so viele Menschen geoutet hatten.

Inzwischen haben sich 500 Menschen diesem Aufbruch angeschlossen und einige der vor einem Jahr befragten, sagten, dass sie sich befreit fühlen, dass sie endlich ohne Angst und ehrlich, authentisch leben können.

Sie haben sich bei all ihrem Tun immer an der Botschaft Jesu orientiert.

Jesus hat sich allen Menschen zugewandt. Er hat sie alle in ihrer Verschiedenheit, mit ihren Sorgen und Ängsten angenommen. Er hat in vielen Begegnungen die Mauer des „Normalen“, des Gewohnten durchbrochen und damit neue Perspektiven aufzeigt.

Er hat nicht die Gesetze über die Menschen gestellt, sondern die Menschen und ihre Bedürfnisse gesehen. Damit hat er die Liebe in den Mittelpunkt gestellt. Die Liebe Gottes zu uns und die Liebe, die wir füreinander und miteinander empfinden.

Mit Jesus haben die Mauern, die wir Menschen gerne bauen, keine Zukunft. Er bricht sie auf, wenn wir es zulassen. Wenn wir uns von seiner Botschaft leiten lassen, können auch wir Mauern durchbrechen und ganz einfach lieben.

Und so wünsche ich uns allen, dass wir gerade jetzt an diesem Wochenende, an dem wir die Heilige Geisteskraft feiern, uns von dieser Kraft Gottes anstecken lassen und unsere Mauern aufbrechen.

Damit wir nicht wie die demente Dame in einem Gefängnis erstarren, sondern voller Leichtigkeit und Lebendigkeit in Fülle leben und lieben können.

Dankgebet

Lassen Sie uns gemeinsam Gott danken, dass wir heute einmal unsere Mauern in den Blick nehmen konnten und sie vielleicht dadurch Löcher bekommen haben oder sogar eingestürzt sind.

Wir wollen danken, Gott, dass du uns die Heilige Geisteskraft gesandt hast, damit wir wieder offen aufeinander zugehen und befreit miteinander aufatmen können.

Danke, dass wir in unseren Beziehungen lebendig und aufmerksam miteinander den Alltag gestalten können.

Danke, dass du uns immer wieder die Möglichkeit schenkst, voller Leichtigkeit und in Fülle unser Zusammenleben zu leben.

Wir wollen an die denken, die sich schwertun, ihre Mauern aufzubrechen.

Sende ihnen die Kraft ihre Mauern aufzubrechen oder zu überspringen, damit auch sie das Leben in Fülle haben und lieben können.

Segen

Gott selbst ist der Segnende.

Darum heißt es: Der Herr ist mit euch.

Und mit deinem Geiste.

Gott, der du mit der Heiligen Geisteskraft Mauern aufbrichst, dein Segen ist die Liebe, die miteinander verbindet und die Freude, die wir alle auf dieser Erde, untereinander und aneinander haben.

Amen.

Gott, der du mit der Heiligen Geisteskraft Mauern aufbrichst, dein Segen ist die Phantasie und die Lust, die uns beflügelt und bereichert. Er ist der Friede, der uns alle zufrieden und glücklich miteinander leben lässt.

Amen.

Gott, der du mit der Heiligen Geisteskraft Mauern aufbrichst, dein Segen ist die Gemeinschaft, die uns trägt. Er ist die Zuversicht und die Hoffnung, die uns zur Vollendung führen wird.

Amen.

Allen ein frohes, gesegnetes und Mauern durchbrechendes Pfingstfest!

26.05.2023

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