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164. Gemeindebrief

Gemeindebrief zum 10. September 2023

Einführung zum 23. Sonntag im Jahreskreis

Während der Vorbereitungen von Familienmessen fiel im Familienmesskreis früher oft das Stichwort vom „roten Faden“. Idealerweise sollte sich die von uns aus dem jeweiligen Sonntagsevangelium herausgearbeitete Botschaft wie ein roter Faden durch alle Gebete, Gedanken, Gestaltungsideen, Lieder und die Predigt hindurchziehen. Ja, und dann haben wir irgendwann mal nachgesehen, wie es eigentlich zu dieser Redewendung gekommen ist. Und siehe da: Die wurde wohl von Goethe höchstselbst geprägt. In seinem Werk „Wahlverwandtschaften“, wo die alles verbindende Hauptidee in Ottilies Tagebuch mit dem durchlaufenden roten Faden im Tauwerk der englischen Marine verglichen wird (s. Duden, Redewendungen). Fanden wir ganz pfiffig: Ein durchlaufender roter Faden im Tauwerk, quasi als Erkennungsmerkmal, in wessen Eigentum sich Taue und Seile befinden.

Gibt es auch in der Frohen Botschaft, in Jesu Leben einen roten Faden, der sich durch alles hindurchzieht? Ein Erkennungsmerkmal, vielleicht sogar auch für uns Christen?  Ich finde schon, und das heutige Evangelium ist wieder ein gutes Beispiel dafür.

Ralph Bergande

Mitglied der Pilgergruppe Rom

pgr@dormagennord.de

1. Lesung: Ez 33, 7 - 9

Lesung aus dem Buch Ezéchiel:

So spricht der Herr:

Du Menschensohn,

ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben;

wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst,

musst du sie vor mir warnen.

Wenn ich zum Schuldigen sage:

Schuldiger, du musst sterben!

und wenn du nicht redest,

um den Schuldigen vor seinem Weg zu warnen,

dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben;

sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück.

Du aber, wenn du einen Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast,

damit er umkehrt,

und er sich nicht abkehrt von seinem Weg,

dann wird er seiner Sünde wegen sterben;

du aber hast dein Leben gerettet.

2. Lesung: Röm 13, 8 -10

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom:

Schwestern und Brüder!

Niemandem bleibt etwas schuldig,

außer der gegenseitigen Liebe!

hat das Gesetz erfüllt.

Denn die Gebote:

Du sollst nicht die Ehe brechen,

du sollst nicht töten,

du sollst nicht stehlen,

du sollst nicht begehren!

und alle anderen Gebote

sind in dem einen Satz zusammengefasst:

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.

Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.

 

 

Evangelium: Mt 18, 15 - 20

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

Wenn dein Bruder gegen dich sündigt,

dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht!

Hört er auf dich,

so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.

Hört er aber nicht auf dich,

dann nimm einen oder zwei mit dir,

damit die ganze Sache

durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen

entschieden werde.

Hört er auch auf sie nicht,

dann sag es der Gemeinde!

Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht,

dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

 

Amen, ich sage euch:

Alles, was ihr auf Erden binden werdet,

das wird auch im Himmel gebunden sein,

und alles, was ihr auf Erden lösen werdet,

das wird auch im Himmel gelöst sein.

Weiter sage ich euch:

Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten,

werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.

Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,

da bin ich mitten unter ihnen.



Gedanken zum Evangelium

Meinungsverschiedenheiten, Streit, Fehlverhalten – alles unschöne Dinge. Sie sind aber aus dem Leben nicht wegzudenken. Und durch die mittlerweile gar nicht mehr so neuen „Neuen Medien“ erfährt davon schnell auch ein großer Personenkreis. Was manchmal keine gute Voraussetzung für Versöhnung ist. So habe ich es jedenfalls zuletzt empfunden, als in einem WhatsApp-Chat ein Gruppenmitglied seine Meinung zu einem Thema eher ausgrenzend formuliert hat, wodurch sich andere Gruppenteilnehmer – aus meiner Sicht verständlicherweise – angegriffen fühlten. Im Ton gemäßigte, aber spürbar nicht erfreute Antworten ließen nicht lange auf sich warten. Die Stimmung schien mir zu kippen. Glücklicherweise meldete sich später auch jemand mit dem Versuch einer ausgleichenden Lösungsmöglichkeit. Dieser Beitrag, der erst nach einiger Zeit auftauchte, enthielt sowohl Verständnis für die gegensätzlichen Meinungen als auch einen Kompromissvorschlag. Wahrscheinlich nicht nur, um das konkrete Problem zu lösen, sondern auch, um die teils jahrelange Freundschaft der Gruppe zu retten. Und trotzdem: Die Auseinandersetzung ist für alle Zeiten dokumentiert. Es kann also sein, dass Spuren bleiben werden.

Im heutigen Evangelium rät Jesus seinen Jüngern, wie sie mit Fehlverhalten ihrer Mitmenschen umgehen sollen. Seinen Ansatz empfinde ich als bemerkenswert geduldig: Nicht gleich mit der Keule ausholen. Nicht gleich alles weitererzählen. Jedem eine zweite Chance geben. Auch eine dritte. Nach und nach Vertrauenspersonen hinzuziehen, um andere, vielleicht neutrale Meinungen zu hören.

Für mich leuchtet dahinter einmal mehr der Gedanke der Nächstenliebe auf. Auch in so einer Situation. Da gebe ich den anderen Menschen nicht so schnell auf. Ich bemühe mich um ihn. Ich kümmere mich um ihn. Ich lasse ihn mit seinem Fehlverhalten nicht allein. Tja, und dann denke ich mir: Da ist er wieder, der rote Faden, der sich durch Jesu Leben und seine Frohe Botschaft zieht: Die Nächstenliebe. Für mich bedeutet das unter anderem: Miteinander statt gegeneinander, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Menschenfreundlichkeit, Herzensgüte - aber auch die klare Ablehnung menschenfeindlicher Positionen in Politik und Kirche.

Sicher ist es utopisch, immer nach diesen Prinzipien zu handeln. Aber ich bin überzeugt, dass es nicht nur meinem Nächsten, sondern auch mir selbst guttut, es immer wieder zu versuchen. Mein Denken und Verhalten immer wieder zu prüfen und an diesem Hauptmotiv, diesem roten Faden der Frohen Botschaft, diesem Erkennungszeichen des Christentums neu auszurichten. Paulus stellt in der heutigen Lesung im Römerbrief die Liebe als das zentrale, alles umfassende Gebot dar. Und ich glaube, sie ist nicht nur „die Erfüllung des Gesetzes“ im Sinne einer auferlegten Pflicht, sondern mehr, nämlich eine Bereicherung meines Lebens!

Fürbitten

Guter Gott, Dein Sohn hat uns gesagt und gezeigt, worauf es im Leben ankommt. Und doch gibt es vielfältiges, durch uns Menschen verursachtes Elend und Leid. Darum bitten wir

  • Für verletzte Kinderseelen.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns!
  • Für Obdachlose.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns!
  • Für Menschen, die durch Katastrophen in Folge des Klimawandels gestorben oder in Not geraten sind, und für uns alle, die wir unseren eigenen Beitrag zur Erderwärmung kleinreden oder leugnen.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns!
  • Um freundliche Aufnahme von Flüchtenden, auch in Deutschland.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns.
  • Für unheilbar Kranke und für alle, die mit ihnen leiden oder um einen lieben Verstorbenen trauern.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns.
  • Für körperlich und seelisch Kranke, Suchtkranke und ihre Angehörigen.
    • Guter Gott! – Wir bitten Dich, erhöre uns.

Guter Gott! Wir alle können unseren Beitrag zur Verringerung von Elend und Leid leisten. Lass uns auch in verzweifelten Situationen auf Deine Unterstützung vertrauen. Amen.

Segensbitte

Herr, segne meine Hände,
dass sie behutsam seien,
dass sie halten können,
ohne zur Fessel zu werden,
dass sie geben können, ohne Berechnung,
dass ihnen innewohnt die Kraft,
zu trösten und zu segnen.

Herr, segne meine Augen,
dass sie Bedürftigkeit wahrnehmen,
dass sie das Unscheinbare nicht übersehen,
dass sie hindurchschauen
durch das Vordergründige,
dass andere sich wohlfühlen können
unter meinem Blick.

Herr, segne meine Ohren,
dass sie Deine Stimme
zu erhorchen vermögen,
dass sie hellhörig seien
für die Stimme der Not,
dass sie verschlossen seien
für den Lärm und das Geschwätz,
dass sie das Unbequeme nicht überhören.

Herr, segne meinen Mund,
dass er Dich bezeuge,
dass nichts von ihm ausgehe,
was verletzt und zerstört,
dass er heilende Worte spreche,
dass er Anvertrautes bewahre.

Herr, segne mein Herz,
dass es Wohnstatt sei Deinem Geist,
dass es Wärme schenken und bergen kann,
dass es reich sei an Verzeihung,
dass es Leid und Freude teilen kann.

(Antje S. Naegeli)

08.09.2023

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