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190. Gemeindebrief zum 4. Fastensonntag (Lætare) im Jahreskreis (B)

Einführung

Im heutigen Evangelium lesen wir einen Ausschnitt der Theologie des Evangelisten Johannes. Diese Theologie war den Verfassern der Leseordnung so wichtig, dass sie diesen Text an vier Sonn- bzw. Festtagen vorlesen lassen:
Vierter Fastensonntag (B), Pfingstmontag (C), Dreifaltigkeitssonntag (A) und Fest der Kreuzerhöhung (ABC). So kommt dieser Abschnitt in jedem liturgischen Jahr zwei Mal vor.

Der heutige vierte Fastensonntag heißt auch "Sonntag Lætare". Diesen Namen hat der Sonntag durch den Eingangs-Psalm "Lætare, Jerusalem" (Freue dich, Jerusalem) erhalten. Das Thema des Sonntags ist die Freude angesichts der bevorstehenden Erlösung. Wie Moses aus der Ferne das Gelobte Land, sieht der Christ von Lætare aus das Osterfest. Nur an zwei Tagen im Kirchenjahr, heute und am 3. Advent (Gaudete) trägt der Priester nicht die für die Fasten- und Adventszeit typische liturgische Farbe violett, sondern rosa.

Der Ursprung dieses freudig-fröhlichen Charakters am Sonntag Lætare liegt in einem alten römischen Brauch. Dort feierte man den Sieg des Frühlings über den Winter und trug bei den Feiern Rosenblüten mit sich (liturgische Farbe rosa). Dieses Fest war im Volk so beliebt, dass selbst der Papst überzeugt war, dieser Brauch müsse Eingang in die römische Liturgie finden. Statt der natürlichen Rosenblüten benutzt er seit dem 11. Jahrhundert kostbare goldene Rosen. Er weiht sie und verschenkt sie an Mitarbeiter oder Institutionen. Papst Benedikt XVI. verlieh sie in seiner Amtszeit achtzehnmal.

Hans-Jürgen Oeynhausen
St. Odilia
E-Mail: hans-juergen@oeygohr.de

Eröffnungsvers nach Jes 66, 10–11

Freue dich, Jerusalem!
Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig ward.
Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.

Kyrie

Herr Jesus Christus,

  • du hast uns gerufen.
               Herr, erbarme dich.
  • du hast uns gelehrt zum Vater zu beten.
               Christus, erbarme dich.
  • Du rufst uns in dieser Feier aufs Neue und willst uns beschenken.
               Herr, erbarme dich.

Tagesgebet

Herr und Gott, deine Gemeinde ist versammelt,
um auf Dein Wort zu hören und mit deinem Sohn gemeinsam Mahl zu halten.
Schenke uns dazu deinen Heiligen Geist.
Darum bitten wir durch Jesus Christus. Amen.

Erste Lesung 2 Chr 36, 14–16. 19–23

Lesung aus dem zweiten Buch der Chronik.

In jenen Tagen begingen alle führenden Männer Judas und die Priester und das Volk viel Untreue. Sie ahmten die Gräueltaten der Völker nach und entweihten das Haus, das der Herr in Jerusalem zu seinem Heiligtum gemacht hatte. Immer wieder hatte der Herr, der Gott ihrer Väter, sie durch seine Boten gewarnt; denn er hatte Mitleid mit seinem Volk und seiner Wohnung. Sie aber verhöhnten die Boten Gottes, verachteten sein Wort und verspotteten seine Propheten, bis der Zorn des Herrn gegen sein Volk so groß wurde, dass es keine Heilung mehr gab.

Die Chaldäer verbrannten das Haus Gottes, rissen die Mauern Jerusalems nieder, legten Feuer an alle seine Paläste und zerstörten alle wertvollen Geräte. Alle, die dem Schwert entgangen waren, führte Nebukadnézzar in die Verbannung nach Babel. Dort mussten sie ihm und seinen Söhnen als Sklaven dienen, bis das Reich der Perser zur Herrschaft kam. Da ging das Wort in Erfüllung, das der Herr durch den Mund Jeremías verkündet hatte. Das Land bekam seine Sabbate ersetzt, es lag brach während der ganzen Zeit der Verwüstung, bis siebzig Jahre voll waren. Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien sollte sich erfüllen, was der Herr durch Jeremía gesprochen hatte. Darum erweckte der Herr den Geist des Königs Kyrus von Persien und Kyrus ließ in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich den Befehl verkünden: So spricht Kyrus, der König von Persien: Der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört — der Herr, sein Gott, sei mit ihm —, der soll hinaufziehen.

Antwortpsalm Ps 137 (136), 1–2.3–4.5–6 (Kv nach 5a)

Kv Wie könnte ich dich je vergessen, Jerusalem!

An den Strömen von Babel, /
da saßen wir und wir weinten, *
wenn wir Zions gedachten.
An die Weiden in seiner Mitte *
hängten wir unsere Leiern. – (Kv)

Denn dort verlangten, die uns gefangen hielten, Lieder von uns, /
unsere Peiniger forderten Jubel: *
„Singt für uns eines der Lieder Zions!“
Wie hätten wir singen können die Lieder des Herrn, *
fern, auf fremder Erde? – (Kv)

Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, *
dann soll meine rechte Hand mich vergessen.
Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, /
wenn ich deiner nicht mehr gedenke, *
wenn ich Jerusalem nicht mehr erhebe zum Gipfel meiner Freude. – Kv

Zweite Lesung Eph 2, 4–10

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Éphesus.

Schwestern und Brüder!  Gott, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet. Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz in den himmlischen Bereichen gegeben, um in den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zu zeigen, in Güte an uns durch Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft — Gott hat es geschenkt  — nicht aus Werken, damit keiner sich rühmen kann. Denn seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus zu guten Werken erschaffen, die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, damit wir mit ihnen unser Leben gestalten.

Ruf vor dem EvangeliumVers: nach Joh 3, 16a.15

Lob dir, Christus, König und Erlöser!    GL 584, 9

So sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn hingab,
damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat.

Lob dir, Christus, König und Erlöser!

Evangelium Joh 3, 14–21

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.

In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodémus: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Gedanken zum Evangelium

Unter dem Begriff "Theologie" verstehen wir die Lehre vom Inhalt eines religiösen Glaubens, in unserer Kirche das katholische Verständnis von Gott. Der Verfasser des Johannesevangeliums wird als Theologe bezeichnet. Er schreibt nicht wie die anderen Evangelisten "eine Erzählung über die Ereignisse" (Lukas 1, 1), sondern er fasst das von Jesus verkündete Verständnis von Gott in Worte. Dabei benutzt er Begebenheiten aus dem Leben Jesu, um die Lehraussagen in deren Rahmen leichter zugänglich und einprägsamer zu machen.

So beschreibt Johannes seine Theologie im Evangelium des vierten Fastensonntags als ein Gespräch zwischen Jesus und dem Pharisäer Nikodemus. In diesem Gespräch lässt er Jesus selbst die Aussagen seiner Theologie sprechen. Nikodemus nimmt die Rolle des unverständigen Zweiflers ein, der – wie wir – Schwierigkeiten mit der Annahme dieser theologischen Aussagen hat. Dem Leser die Theologie in dieser erzählenden Form als Dialog zwischen zwei Personen nahezubringen ist hohe schriftstellerische Kunst.

In den drei anderen Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas kommt Nikodemus nicht vor. Hielten diese Autoren diese Person nicht für erwähnenswert? Stand Johannes als zeitlich letztem Autor eine Quelle zur Verfügung, die die anderen drei nicht kannten? Oder hat Johannes diese Figur Nikodemus selbst entwickelt, um sein Glaubenszeugnis mit dieser literarischen Kunstform als Dialog überzeugender darstellen zu können?

Der Ausschnitt des Gespräches zwischen Jesus und Nikodemus, der heute am vierten Fastensonntag im Lesejahr B vorgetragen wird, setzt mitten im Gesprächsverlauf auf. Der erste Teil des Gespräches wird uns heute vorenthalten. Dabei ist er als Einleitung doch wichtig für das Verständnis des gesamten Gespräches. Nach dem ersten Wortwechsel spricht Jesus: "Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von oben geboren werden. Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist." Der Zweifler Nikodemus versteht das nicht und fragt, wie das geschehen soll. Hier wird Jesus ungeduldig und rügt seinen Gesprächspartner, der ja als Pharisäer eine gediegene Ausbildung in jüdischer Religionslehre absolviert hat: "Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht?" Also quasi "Setzen. Sechs". Johannes lässt nun Jesus darüber klagen, dass seine Lehre über Gott, den Jesus als seinen Vater bezeugt, nicht angenommen wird: "Was wir wissen, davon reden wir, und was wir gesehen haben, das bezeugen wir, und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. Wenn ich zu euch über irdische Dinge gesprochen habe und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn ich zu euch über himmlische Dinge spreche? Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn." Hierauf folgt der Text des heutigen Tagesevangeliums, in dem Johannes Jesus sein Selbstbekenntnis sprechen lässt: "Ich bin der vom Vater gesandte Erlöser der Welt". Beginnend mit einem Rückgriff auf Moses und die aufgerichtete Schlange als Parallele zum am Kreuz aufgerichteten Sohn Gottes: Was muss das für eine Zumutung für Nikodemus gewesen sein. Auch ich tue mich schwer mit diesem Anspruch, den Johannes hier Jesus in den Mund legt.

Der letzte Vers des Tages-Evangeliums ist schwer zu verstehen: "Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind." Wie soll ich Wahrheit tun? Wahrheit besteht, sie kann doch nicht getan oder gemacht werden.

Hier zeigt sich – wie so oft -, dass die Übersetzung eines Textes aus einem fremden Kulturraum – hier der Kultur des alten Griechenland – eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Im griechischen Text steht das Wort ảλήθεια (ausgesprochen alétheia). Das Wörterbuch gibt dafür die Bedeutungen Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Wirklichkeit, wahre Beschaffenheit, wahre Umstände an. Hier muss das Verb helfen, die Bedeutung zu erschließen. Das Wort ποιέω (ausgesprochen peuéo) steht für: ich mache, tue, bewirke, erweise, achte, nehme an. Im Zusammenhang beider Wörter stehen viele Übersetzungsweisen zur Wahl: die Wahrheit hervorbringen, die Wahrheit annehmen, die Wahrheit achten, in Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit handeln. Warum geben uns die Autoren der Einheitsübersetzung solch ein Rätsel auf? Das hilft uns nicht, Jesus zu verstehen. Andere Übersetzungen machen es uns wesentlich leichter, die Worte Jesu aufzunehmen.

Zürcher Bibel der reformierten Kirchen in der Schweiz, zuletzt revidiert 2007: Wer aber tut, was der Wahrheit entspricht, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott gewirkt sind.

Neue Genfer Übersetzung der konfessionsungebunden "Genfer Bibelgesellschaft", revidiert 2000: Wer sich jedoch bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, der tritt ins Licht, und es wird offenbar, dass sein Tun in Gott gegründet ist.

Neue Evangelische Übersetzung von K.-H. Vanhelden aus dem Jahre 2003: Wer sich aber nach der Wahrheit richtet, tritt ans Licht, denn so wird sichtbar, dass sein Tun in Gott gegründet ist.

Mit diesen Übersetzungen kann ich die Botschaft Jesu verstehen und zur Maxime meines Handelns machen.

Allgemeines Gebet (Fürbitten)

Rettender Gott, du willst das Leben der Welt.
Wir bringen vor dich, was uns am Herzen liegt.

  • Menschen bezeugen Gottes Liebe zu allen Menschen und zu unserer Welt:
    Für alle, die sich um ein frohes und glaubwürdiges Zeugnis bemühen;
               Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.   GL 645, 3

  • für jene Menschen, die nicht mehr an Gottes rettende Nähe und
    Zuwendung glauben können;
               Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

  • für alle, die eine tragende Kraft für ihr Leben suchen.
               Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

  • Menschen führen Krieg gegeneinander: Für alle, die den Waffen ausgesetzt sind und um ihr Leben bangen; für jene, die Menschen verloren haben; für die, die auf der Flucht sind; für alle, die Zeichen setzen gegen Krieg, Zerstörung und Flucht.
               Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

  • Für unsere Verstorbenen. Sie haben das Leben mit uns geteilt: Ihnen gilt unsere Hoffnung auf Auferstehung und ein Leben bei dir in Fülle.
               Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

Im Vertrauen auf die Rettung, im Vertrauen auf ein gelingendes Leben für andere und für uns bringen wir unsere Bitten vor dich.
Die Zusage deines Sohnes auf Beistand gibt uns die Kraft dazu. Amen.

Gabengebet

Wir haben Brot und Wein bereitet.
Wir wollen gemeinsam Mahl halten
und dich, Jesus, in unserer Mitte erkennen. Amen.

Schlussgebet

Guter Gott, das Wort, das wir gehört, und das Mahl, das wir gefeiert haben,
machen deine großen Taten in unserer Mitte lebendig.
Wir danken dir und bitten dich:
Vollende, was du in uns begonnen hast, durch Christus, unsern Bruder und Herrn.

Segen

Gott segne dich,
wenn du suchst und fragst,
wenn du vertraust und hoffst.

Gott segne dich,
wenn du zweifelst und wagst,
wenn du wankst und stehen bleibst,

Gott segne dich,
wenn du nicht verstehst und doch wissen willst,
wenn du fragst und antwortest.

Und so segne uns alle der gute Gott. Der Vater der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

 

Quellen:
Erzabtei Beuron: Tagesliturgie 4. Fastensonntag (B)
Steyler Missionare: 4. Fastensonntag (B)

08.03.2024

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