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197. Gemeindebrief zum 28.04.2024 - fünfter Sonntag in der Osterzeit (B)

Einführung

Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben ist uns so vertraut, dass wir die Handlungsweise des radikalen Kapitalismus, die darin beschrieben wird, gar nicht mehr wahrnehmen. Es geht um "Hire and Fire", um Heuern und Feuern. Eine Rebe, die nicht taugt, weil sie keine Frucht bringt, wird abgeschnitten und ins Feuer geworfen.
Verträgt sich das mit der Barmherzigkeit, die Jesus uns predigt und vorlebt?
War der "verlorene Sohn" nicht auch eine Rebe am Weinstock, die eine Zeit lang keine Früchte trug? Der verlorene Sohn erhielt durch die Barmherzigkeit des Vaters eine zweite Chance. Eine verbrannte Rebe hat keine zweite Chance mehr.

Hans-Jürgen Oeynhausen, St. Odilia
E-Mail: hans-juergen@oeygohr.de

Kyrie

Herr Jesus, du bist der wahre Weinstock.
Herr erbarme dich.

Als Reben sind wir mit dir verbunden.
Christus erbarme dich.

Du legst dein Wort in unser Herz.
Herr erbarme dich.

Tagesgebet

Jesus Christus, du hast uns zu geschwisterlicher Liebe berufen.
Wir wollen – wie die Reben am Weinstock –
mit dir verbunden bleiben
und aus dieser Lebensgemeinschaft heraus Frucht bringen,
für uns selbst und für alle Menschen.
Dazu gib uns deine Kraft, du unser Bruder und Herr.

Amen

Erste Lesung Apg 9, 26–31

Lesung aus der Apostelgeschichte.

In jenen Tagen, als Saulus nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm, weil sie nicht glaubten, dass er ein Jünger war. Bárnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er berichtete ihnen, wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dass dieser zu ihm gesprochen habe und wie er in Damáskus freimütig im Namen Jesu aufgetreten sei. So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus, trat freimütig im Namen des Herrn auf und führte auch Streitgespräche mit den Hellenísten. Diese aber planten, ihn zu töten. Als die Brüder das erkannten, brachten sie ihn nach Cäsaréa hinab und schickten ihn von dort nach Tarsus. Die Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samárien hatte nun Frieden; sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht des Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes.

Antwortpsalm Ps 22 (21), 26–27.28 u. 30ab.31–32 (Kv: 26a)

Kv  Von dir, Herr, kommt mein Lobpreis in großer Versammlung   (GL 401)

Von dir kommt mein Lobpreis in großer Versammlung,
ich erfülle mein Gelübde vor denen, die Gott fürchten.
Die Armen sollen essen und sich sättigen;
den Herrn sollen loben, die ihn suchen.
Aufleben soll euer Herz für immer. – (Kv)

Alle Enden der Erde sollen daran denken
und sich zum Herrn bekehren:
Vor dir sollen sich niederwerfen alle Stämme der Nationen.
Es aßen und warfen sich nieder alle Mächtigen der Erde.
Alle, die in den Staub gesunken sind, sollen vor ihm sich beugen. – (Kv)

Nachkommen werden ihm dienen.
Vom Herrn wird man dem Geschlecht erzählen, das kommen wird.
Seine Heilstat verkündet man einem Volk, das noch geboren wird:
Ja, er hat es getan. – Kv

Zweite Lesung 1 Joh 3, 18–24

Lesung aus dem ersten Johannesbrief.

Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Und daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind. Und wir werden vor ihm unser Herz überzeugen, dass, wenn unser Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles weiß. Geliebte, wenn das Herz uns aber nicht verurteilt, haben wir gegenüber Gott Zuversicht; und alles, was wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt. Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben gemäß dem Gebot, das er uns gegeben hat. Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott in ihm. Und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist, den er uns gegeben hat.

Ruf vor dem EvangeliumVers: Joh 15, 4a.5b

Halleluja. Halleluja.
(So spricht der Herr:)
Bleibt in mir und ich bleibe in euch.
Wer in mir bleibt, der bringt reiche Frucht.
Halleluja.

Evangelium Joh 15, 1-8

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Gedanken zum Evangelium

Vergleiche, Metaphern, Gleichnisse benutzen einen alltäglichen Sachverhalt, um damit wie mit einem Vergrößerungsglas ein komplexes Thema anschaulich nachvollziehbar zu beschreiben. Jesus macht davon bei seinen Gleichnisreden reichlich Gebrauch ("mit dem Himmelreich ist es wie mit…"). Ein Vergleich, eine Metapher und ein Gleichnis dürfen aber nur im Sinne derjenigen Aussage interpretiert werden, die der Autor mit seinem Bild beschreiben will. Hier legt die Absicht des Autors unserer Lust an der Interpretation enge Fesseln an. Das Thema "Hire and Fire" – also das Verbrennen der untauglichen Reben – kann Jesus mit dem Gleichnis vom Weinstock nicht gemeint haben. Denn sonst hätte der verlorene Sohn keine zweite Chance bekommen.

Jesus kannte sich ja aus in den Schriften seines jüdischen Glaubens, in den Büchern der Propheten und den Psalmen. Darin werden der Weinstock und der Weinberg als Bild benutzt, meist als Sinnbild für das Volk Israel, das sich vom Herrn abgewandt hat. Der Herr hat den Weinberg gepflanzt, aber die Weinstöcke sind verdorrt und bringen keine Frucht mehr. Der Weinberg ist verwildert und von Dornen erstickt.

Jesus will diese festgefahrenen Vorstellungen aufbrechen. Er gibt diesem im Alten Testament für den Untergang benutzten Bild eine ganz andere, eine neue hoffnungsvolle Bedeutung. Sein Bild vom Weinberg und vom Weinstock soll nicht mehr ein Zeichen des Untergangs, sondern des aufblühenden Lebens sein. Jesus selbst ist das Zentrum der Kraft, die Wurzel und der Stamm, von dem das Leben des Weinstocks ausgeht. Und er lädt seine Jünger und uns ein, von dieser Lebenskraft zu nehmen und zu wachsen. Er drückt mit dem Gleichnis aus, wie er sich die Bindung zwischen sich und seinen Jüngern und damit auch mit uns vorstellt. Der Weinstock und seine Wurzel nähren alle Reben und geben ihnen Halt. So können die Reben wachsen, sich ausbreiten, die Energie der Sonne aufnehmen und Frucht bringen.

Allgemeines Gebet (Fürbitten)

Jesus verheißt seinen Jüngern:
„Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben,
dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.“

So wenden wir uns vertrauensvoll an Christus, unseren Herrn:

  • für alle, die Sorge tragen für das rechte Miteinander in unserer Gesellschaft,
    und für jene, die Entscheidungen für den richtigen Umgang
    mit den Krisen dieser Zeit treffen müssen.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja. (GL 92)

  • für alle, die Gottes frohe Botschaft den Kindern,
    Jugendlichen und Erwachsenen verkündigen und so dazu beitragen,
    dass Gottes Wort in uns bleibt.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja.

  • für alle, die Gottes Liebe in Tat und Wahrheit den Menschen weitergeben
    und damit für eine geschwisterliche Gesellschaft sorgen.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja.

  • für alle, die sich um die Erhaltung des Friedens in der Welt mühen
    und für die Bewahrung der Schöpfung eintreten.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja.

  • für alle, die die Verbindung zum Weinstock Jesus verloren haben.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja.

  • für alle, die den Weg ihres Lebens vollendet haben,
    und für jene, die um sie trauern.
    Jesus, wahrer Weinstock.

Herr, bleibe bei uns, Halleluja.

Bleibe bei uns, Herr, wenn wir jetzt gemeinsam Mahl halten zu deinem Gedächtnis.

Amen. 

Gabengebet

Du Gott des Lebens, an den Reben wuchsen Trauben für den Wein,
den wir dir mit dem Brot bringen.
Mit deinem Segen lass sie zu dem werden, was sie sein sollen:
Leib und Blut deines Sohnes, unseres Bruders und Herrn, mitten unter uns.

Amen.

Schlussgebet

Jesus, du willst, dass wir wie eine Rebe am Weinstock wachsen und Frucht bringen.
Bleibe bei uns und hilf uns dabei, denn durch dich bekommen wir Lebenskraft.
Gib uns dazu deinen Segen.

Amen

 

Quellen:
Erzabtei Beuron:  Tagesliturgie 5. Sonntag in der Osterzeit (B)  
Steyler Missionare:  5. Sonntag in der Osterzeit (B)
Gottesdienst zum Predigerinnentag Dormagen-Nord zum 5. Sonntag in der Osterzeit

25.04.2024

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